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Kultur: Zahlen gut, Stimmung besser

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bilanziert 2002 – und blickt optimistisch in die Zukunft

Klaus-Dieter Lehmann schaut nach vorn. „Im zurückliegenden Jahr ist es der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gelungen,“ – so ihr Präsident – „aus der Zeit der Blockaden aufzubrechen in eine Zeit der Entscheidungen.“ Der optimistische Ton bestimmte die ganze Jahrespressekonferenz der Stiftung am gestrigen Montag. Tatsächlich konnten zwei Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Zum einen wird die Preußenstiftung nicht mehr im Zusammenhang mit der „Entflechtungs“-Debatte der Länder-Ministerpräsidenten genannt: Der seit Ende 2001 drohende Rückzug zumindest einiger Länder aus der Trägerschaft ist vom Tisch. Zum anderen konnten die Auswirkungen des Berliner Rückzugs aus der hälftigen Mitfinanzierung der Baumaßnahmen begrenzt werden. Zwar hat der Bund nicht den Ausfall der Berliner Gelder kompensiert, wohl aber die Finanzierungsverantwortung zur Gänze geschultert. 80 Prozent der vorgesehenen Mittel stehen dank der Zusatzmittel aus der D-Mark-Goldmünze derzeit bereit.

Die Bauverzögerungen auf der Museumsinsel möchte Lehmann nicht dramatiseren. Er betont im Gegenteil, dass es sowohl beim Bode-Museum endlich voran gehe – die Eröffnung soll 2006 gefeiert werden – als auch beim Neuen Museum, dessen Wiederaufbau im Frühjahr sichtbar begonnen werde. Eine „schlechte Nachricht“ muss Lehmann gleichwohl überbringen: Sie betrifft das Pergamon-Museum, das der „Verkehrssicherungsmaßnahmen“ bedarf, „um überhaupt Menschen in das Haus lassen zu können.“ Der Planungsauftrag für die Generalsanierung kann immer noch nicht erteilt werden. Die bereits kursierende Jahreszahl für die Fertigstellung „gegen 2015“ dementiert der Präsident nicht. „Wir verhandeln zurzeit nicht mehr diplomatisch, sondern mit sehr viel aggressiveren Mitteln“ – das ist für das gezügelte Temperament Lehmanns schon ein markanter Satz.

Gutes hingegen gibt es zur Staatsbibliothek Unter den Linden zu vermelden: Die aus DDR-Zeiten stammenden Magazintürme im Innenhof werden in diesem Jahr abgerissen, so dass im kommenden Jahr der Neubau des zentralen Lesesaales mit 500 Plätzen beginnen kann. Er soll 2007 fertig sein und die derzeitige, gelinde gesagt angespannte Situation insbesondere des Stabi-Zweitbaus an der Potsdamer Straße entschärfen. Maßnahmen zur Besucherdrosselung werde man dort allerdings nicht ergreifen. Lehmann führt die mangelnden Bücherkapazitäten der Universitäten ins Feld, dergestalt den Vorwurf umkreisend, dass die Stabi von Studenten überrannt wird, die ihre Arbeit anderenorts erledigen könnten.

Auch die Finanzsituation entlockt dem Stiftungs-Präsidenten keine Klage. Zwar handele es sich bei dem Haushalt des begonnenen Jahres um einen „Überrollhaushalt“, der also keine Zuwächse aufweist. Doch kommt die Stiftung damit offenbar zurecht. Der Betriebshaushalt – die überwiegend aus Personalmitteln bestehenden „laufenden“ Ausgaben – beträgt 153 Millionen Euro, die Baumittel hingegen sanken wegen des Berliner Knall-auf-Fall-Ausstiegs von 122 auf 98 Millionen Euro. Die Ausstellungen der Museen werden mangels nennenswerten Etatansatzes überwiegend aus Drittmitteln finanziert. Das „Fundraising“ habe fünf Millionen Euro eingespielt, und auch die Eigeneinnahmen wuchsen durch die erhöhten Eintrittspreise um zwei auf zwölf Millionen Euro.

Die Besucherzahlen in den siebzehn Staatlichen Museen Berlin wuchsen neuerlich, diesmal um vier Prozent auf 3,157 Millionen. Erstaunlich ist dabei weniger, dass die glanzvoll restaurierte Alte Nationalgalerie sich mit 600000 Besuchern auf Platz zwei der Beliebtheitsskala schob – gleich hinter das Pergamon-Museum mit 800000 Schaulustigen –, sondern dass sogar aus Dahlem, dem mittlerweile so ungeliebten Standort, „leicht verbesserte“ Zahlen gemeldet wurden. Insgesamt ist der Besucherandrang um so höher zu bewerten, als die Nationalgalerie mit zugkräftigen Ausstellungen geizte. Zum Spitzenreiter avancierte die „Griechische Klassik“ der Antikensammlung mit 133000 Besuchern – allerdings im Martin-Gropius-Bau, der unter anderem von den Staatlichen Museen bespielt wird. 83000 Besucher für die Retrospektive zu Mies van der Rohe sind für eine Architekturausstellung gleichfalls eine herausragende Zahl.

Die Akquisition der Sammlung Friedrich Christian Flicks wird im gewohnt nüchternen Bericht Lehmanns nur mehr aufgezählt, der (ausgebliebene) Streit um die moralische Berechtigung dieser Zusage lediglich gestreift. Die von einigen Zeitungen zur Nachricht aufgeblasene Spekulation um eine Schenkung der Sammlung des Fotografen Helmut Newton möchte Lehmann nicht anheizen. Er macht deutlich, dass die Stiftung keinerlei Mittel für die notwendige Herrichtung eines entsprechenden Ausstellungsgebäudes habe – im Gespräch sei das frühere Haus der Kunstbibliothek an der Jebensstraße auf der Rückseite vom Bahnhof Zoo –, sondern die Newton-Stiftung des Fotografen dafür einstehen müsse. Konkrete Ergebnisse der weiterhin geführten Verhandlungen seien derzeit nicht abzusehen. Erst Museums-Generaldirektor Peter-Klaus Schuster würzt mit ein wenig Spannung nach: Es sei „noch Einiges in der Pipeline“.

Und dann geht der Blick voraus auf die für die Neue Nationalgalerie geplante Ausstellung von Spitzenwerken aus dem New Yorker Museum of Modern Art – die aber wird erst 2004 stattfinden. Vielleicht ein bisschen zu früh, um jetzt schon laut zu jubeln.

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