zum Hauptinhalt
Überraschungsgast. Auch Geiger David Garrett macht beim Meister Zakhar Bron (r.) seine Aufwartung.

© promo

Zakhar Bron im Kammermusiksaal: Geigenguru

Pathos und Schleifer schmiegen sich geschmeidig ins Gehör. Großmeister Zakhar Bron spielt mit seinen Schülern im Kammermusiksaal.

Klassische Musik wird gerne mal bezichtigt, sich selber der Globalisierung zum Fraß vorzuwerfen. Orchester klängen zunehmend gleich, nationale Stile würden schwächer, keiner riskiere mehr Eigensinn. Was bei Klangkörpern stimmen mag, gilt nicht für Solisten – denn in deren Ausbildung regiert noch immer der Geist der Großmeister, die prägen.

Geigenguru Zakhar Bron zeigt bei seiner Tournee zum Siebzigsten, dass er ein solcher ist. Er, einst von Moskau nach Sibirien umgezogen, um dort eine Violinistenschmiede zu installieren, gastiert mit Gefolgschaft im Kammermusiksaal der Philharmonie. Schnell ist seine Handschrift auszumachen: überbordendes Pathos, Schleifer, die sich immer noch ein Stückchen gefälliger ins Gehör schmiegen wollen, fieberhaftes Vibrato und das theatrale Hin- und Herwiegen der Wunderjugend, schmachtende Blicke zur Decke inklusive.

Authentizität ist alles

Wer Kitsch scheut, ist hier falsch. Bedenklich wird es aber, wenn die Zöglinge sich an Stilkopien versuchen, so sein wollen wie er. Elea Nick scheitert an den „Zigeunerweisen“ von Pablo de Sarasate gleichermaßen wie Laura Marzadori an Jules Massenets „Thaïs-Meditation“: Das klingt schablonenhaft, obwohl sich alle abrackern.

Zakhar Bron klärt mit Fritz Kreislers „Syncopation“ und Cécile Chaminades Spanischer Serenade das Missverständnis auf. Er reizt das Imperfekte aus, dehnt Melodien und zaubert damit Leichtigkeit, verschmitzten Witz und beinahe sinatrahafte Züge. Authentizität ist alles. Eine Wahrheit gibt es nicht. Und: Kein Mittel darf sich zum Prinzip erheben.

Mayuko Kamio übertrumpft ihren Lehrer

Aleksey Semenenko hat sich für das Virtuose entschieden. Doch Niccolò Paganinis „I Palpiti“ haben es eben nicht nur fingertechnisch in sich. Klang wird hier durchdekliniert, frech, zart, silbrig und ganz düster.

Mayuko Kamio macht im Doppelkonzert BWV 1043 von Johann Sebastian Bach letztlich klar, wie es sein muss. Sie übertrumpft ihren Lehrer. Glasklar und energisch antwortete sie Bron im musikalischen Dialog. Sie ist umwerfend, eine Ausnahmegeigerin! Dem kann auch Überraschungsgast David Garrett nichts anhaben, der für Vittorio Montis „Csárdás“ betont lässig vorbeischlappte.

Zakhar Bron strahlt wahrhaftig auf eine ganze Geigergeneration aus. Die einen wissen das zu nutzen, die anderen scheitern an der profanen Kopie. Wenn Theatralik und Pathos die Publikumssinne ertränken, kann eben auch ein mittelmäßiger Geiger wie Garrett den Weltruhm pachten.

Christopher Warmuth

Zur Startseite