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Kultur: Zauberkreis der Circe

Von Altenbourg bis Knöller: Die Berliner Galerie Dittmar fragt nach der Aktualität des Holzschnitts

Fast anachronistisch mutet der Ausstellungstitel an: „Der Holzschnitt in der zeitgenössischen Kunst“. Gibt es ihn überhaupt? Angesichts digitaler und druckgrafischer Reproduktionstechniken, wirkt die manuelle Bearbeitung von Holzstöcken aufwendig und unzeitgemäß. Aber gerade dieser Widerspruch scheint manch einen Künstler bis heute herauszufordern. Die Galerie Dittmar präsentiert in ihrer aktuellen Ausstellung ein kompaktes und höchst vitales Plädoyer für die Traditionstechnik mit Beispielen von Gerhard Altenbourg, der an die letzte Blütezeit des Holzschnitts im Expressionismus anknüpfte und diese weiterentwickelte, bis zu Paco Knöllers Synthesen aus Holzschnitt und Malerei.

Gemeinsam ist allen fünf Künstlern, zu denen außerdem Georg Baselitz, Per Kirkeby und Sean Scully gehören, ein eher abstraktes Vokabular. Sie verbindet die Lust am Experiment, der reine Aspekt der Vervielfältigung steht bei keinem im Vordergrund. So beträgt die maximale Auflagenhöhe dann auch 30 Exemplare bei Baselitz und Scully, vier bei Altenbourg. Paco Knöller fertigt seine Holzschnitte sogar als Unikate. Den Untergrund seiner „Fraktale“ (je 3000 Euro) legt er von Hand in kräftigen Farbfeldern an, erst im zweiten Schritt kommt der Holzstock zum Einsatz. Die ins Holz geschnittenen Linienzüge legen dabei den Blick auf den Malgrund offen und auf die erhabenen Partien des Stocks wird Offsetfarbe in pastosen Schichten aufgetragen. So entstehen weiträumige Flächen in Grün, Weiß oder Gelb, deren Oberflächenwirkung zwischen Ölfarbe und dem Glanz handelsüblicher Lacke changiert.

Am nächsten steht Knöller damit der Auffassung Per Kirkebys, wobei die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Wo Knöller die einzelne Linie in der fast monochromen Weite betont, spiegeln Kirkebys filigrane Lineaturen und die von mehreren Stöcken überdruckten Farben Naturtransformationen wider. Landschaftliche oder biomorphe Formen können da assoziiert werden und bleiben doch stets in der Schwebe. Äußere und innere Natur bringt der Däne in einen Zustand ruhiger Durchdringung, deren Dynamik sich dem Auge erst sukzessive erschließt (2800 bis 11000 Euro).

Konzentriert zeigt sich auch Georg Baselitz. Seine Holzschnitte wirken viel weniger berserkerhaft als seine Bilder und Skulpturen. Obwohl die fünf unbetitelten Blätter (je 2400 Euro) von 1990 subtil Elemente aus seinem malerischen und bildhauerischen Kanon aufgreifen. So scheinen auf einem Blatt die weißen Strukturen wie Späne aus den Skulpturen in das satte Grün zu fallen. In der Isolation und Wiederholung verdichtet Baselitz sie zu einer neuen und nuancierten Ornamentik.

Gerhard Altenbourg verwandte für seine filigranen Holzschnitte nicht das übliche Langholz, sondern das härtere Hirnholz; wodurch die Maserung wie zufällig eigene Formen hervorruft: schemenhafte Wesen „Im Zauberkreis der Circe“ (2200 Euro) oder Figurenpaare, die „Diese irritierende Schreiamsel“ (2000 Euro) mit lyrischen Randnotizen begleiten, inneren Stimmen gleich – poetisch und bedrohlich. Wo Altenbourg die Absurdität menschlichen Seins mit leiser Melancholie hinterfragt, verneigt sich Sean Scully mit strenger Geometrie vor der menschlichen Dimension. Der „Block“ (6500 Euro) überträgt die archaische und rituelle Wucht seiner Malerei in feinen Farbabstufungen, in denen die Intention des Iren, die Abstraktion zu vermenschlichen, auf originäre Weise mitschwingt.

Die Galerieausstellung kann zwar keinen repräsentativen Überblick zeigen, doch versteht Peter Dittmar es, auf kleinem Raum durch die geschickte Auswahl und die dialogische Konzeption einen Einblick zu vermitteln, der von der Gegenwärtigkeit, Zeitlosigkeit und nicht zuletzt von der Schönheit des Holzschnitts zeugt.

Galerie Dittmar, Auguststraße 22, bis 30. Juli; Dienstag bis Sonnabend 12–18 Uhr.

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