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Kultur: Zeit der Maulkörbe

Neue Vorwürfe im Fall Kirchner

Erst darf die eine nicht, dann die andere nicht. Alle anderen mutmaßen umso mehr. Solange die Verhandlungen um die Rückgabe des Kirchner-Bilds liefen, war der Direktorin des Berliner Brücke-Museums, Magdalena Moeller, von Seiten der verhandlungsführenden Kulturverwaltung striktes Schweigen auferlegt. Nun ist der Kirchner restituiert und für rund 38 Millionen Dollar nach New York verkauft, Frau Moeller darf wieder reden – und erhebt prompt schwere Vorwürfe gegen Barbara Kisseler, die damals als Kulturstaatssekretärin die Rückgabeverhandlungen führte.

Moellers Vorwurf: Kisseler, die den Kirchner-Fall unmittelbar nach Bekanntwerden im Herbst 2004 an sich gezogen habe, habe von ihr gefordert, im Nachhinein eine Aktennotiz zu verfassen, in der ihre Rolle verzerrt dargestellt werde, so die Museumsdirektorin am Rande einer Sitzung des zur Prüfung des Falles eingesetzten Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus. Auch habe Frau Kisseler schon früh und gegen juristischen Rat die Bereitschaft zur Rückgabe signalisiert, und, in Unkenntnis des wahren Wertes des Kirchner-Bildes, den Erben eine viel zu niedrige Summe geboten. Der größte Fehler jedoch sei gewesen, die Öffentlichkeit nicht rechtzeitig informiert zu haben – die von den Erben geforderte Summe von 15 Millionen Euro sei bei entsprechender öffentlicher Beteiligung durchaus aufzubringen gewesen, am Ende hätten drei bis vier Millionen gefehlt. Das Bild könnte noch in Berlin hängen.

Barbara Kisseler, die unter Klaus Wowereits Ägide als Kultursenator inzwischen Leiterin der Senatskanzlei geworden ist, kann sich zu diesen Vorwürfen allerdings derzeit ebenfalls nicht äußern – es läuft, vom Freundeskreis des Brücke-Museums angestrengt, ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen sie sowie Ex-Kultursenator Thomas Flierl wegen Verdachts der Untreue. Das schon eingestellte Verfahren – wie auch das gegen die Sammlererbin Anita Halpin sowie ihre Anwälte – war im Mai wieder aufgenommen worden. Solange es läuft, will Frau Kisseler sich weder öffentlich äußern noch wird sie wohl vor dem Sonderausschuss auftreten.

Dass die Restitution zu Recht erfolgt war, belegt nun ein gerade vorgestelltes Gutachten der Berliner Restitutionsspezialisten Gunnar Schnabel und Monika Tatzkow, die den Verkauf des Kirchner 1938 eindeutig als „verfolgungsbedingt“ einordneten (Tsp. vom 27. Mai). Bleibt der Vorwurf, dass bei entsprechender Transparenz des Verfahrens wahrscheinlich sowohl die Versteigerung des Bildes bei Christie’s als auch der dazugehörige, sehr emotional geführte Streit samt juristischem Nachspiel zu vermeiden gewesen wäre. Hätten alle Seiten rechtzeitig geredet, hätte man später keine Maulkörbe verteilen müssen. til

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