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Kultur: Zeit der Schwäne

Kai Müller macht sich Sorgen um eine bedrohte Tierart

Schwäne haben es gerade schwer. Sie sind aus der Mode gekommen. Fasching steht vor der Tür, aber kein Kind will sich mehr als Schwan verkleiden. In den Spielzeugläden stapeln sich die Schwanenkostüme. Auch unsere Tochter, der wir bereits vor Wochen ein weißes Federkleid gekauft haben, will es nun partout nicht mehr anziehen. Sie habe keine Lust, sagt sie, von den anderen im Kindergarten in einen blauen Müllsack gesteckt und von einem Bundeswehrpanzer abgeholt zu werden. Das passiere nämlich, wenn man ein Schwan ist, sagt sie.

Nur toten Schwänen, sage ich, passiert das. Sie will trotzdem nicht. Und sie hat Recht. Als Schwan sollte man sich etwa in Mecklenburg-Vorpommern zurzeit nicht blicken lassen. Da gibt es Leute, die wollen dann ein Hühnchen mit einem rupfen. Aber bei uns ist das ungefährlich. Da sterben Schwäne höchstens auf der Bühne und an gebrochenen Herzen. Denn sie sind verzauberte Mädchen. Und wenn der Mond aufgeht, verwandeln sie sich in die edelsten, liebevollsten Vögel, die es gibt. Niemand könnte ihnen etwas antun. Immer wieder verlieben sich sogar Königssöhne in sie. Allerdings hat ein Schauspieler in Frankfurt einem berühmten Theaterkritiker gerade erst einen toten Schwan in den Schoß gelegt. Das war ein Riesenskandal. Aber was ist eigentlich schlimmer? Einen toten Schwan in den Schoß gelegt zu bekommen oder auf dem Schoß eines Theaterkritikers zu enden?

Ich bringe das Federkostüm morgen in den Laden zurück. Ich will nicht, dass meine Tochter einem Theaterkritiker in die Hände fällt, der womöglich nicht einmal ein Prinz ist. Vielleicht gefällt ihr ja das Bundeswehr-Kinder-Set. Mit einem Satz Sandsäckchen, einem Schneeschäufelchen und einem Opernglas. Mit ihm soll man sterbende Schwäne schon von weitem erkennen können.

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