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Schrieb den Bühnenmonolog "Mohammed Gets a Boner": der Dramatiker und Regisseur Neil LaBute, 52.

© AFP

Zensur nach "Charlie Hebdo": Mohammed-Stück wird in New York abgesetzt

Ein Benefiz-Theaterabend gegen Zensur wird zensiert: Das vom Erzbistum mitfinanzierte New Yorker Sheen Center setzt einen Mohammed-Monolog des renommierten Dramatikers Neil LaBute vorzeitig ab.

Der Vorgang entbehrt nicht einer gewissen Ironie, allerdings einer traurigen: In New York wird eine Veranstaltung gegen Zensur, geplant auch als Reaktion auf den Anschlag gegen das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar, ihrerseits zensiert, aus Rücksicht auf religiöse Gefühle. Das Sheen Center in Greenwich Village hatte für den 14. Juni zu einem Benefiz-Theaterabend für die „National Coalition Against Censorship“ (NCAC) geladen, Veranstalter ist das Planet Connections Arts Festival.

Vorgesehen waren vier kurze Theaterstücke, darunter „Mohammed Gets a Boner“ (Mohammed bekommt einen Steifen), ein Monolog des Dramatikers Neil LaBute. Berichten zufolge sollte darin ein Schauspieler einen Schauspieler spielen, der den Propheten Mohammed darstellt und Skrupel bekommt. Auf der Website des NCAC heißt es: „Der Prophet ,Mohammed’ steht auf einer leeren Bühne und erinnert sich zum ersten Mal daran, wie er Sex mit einer weißen Frau hatte. Ist das nun Realität oder Theater? Wo überschneiden sich die Linien zwischen ,Satire’ und ,Zensur’ oder ist nichts mehr heilig, sobald es auf die Bühne kommt?“

Das „Sheen Center for Thought and Culture“ wird unter anderem vom Erzbistum New York finanziert und wendet sich mit seinem Programm explizit „an Katholiken wie Nicht-Katholiken“. Geschäftsführer William Spencer Reilly hatte zunächst darum gebeten, den Titel des Stücks zu ändern. Außerdem sollten wohl einige Statements für eine ebenfalls geplante Podiumsdiskussion modifiziert werden. Als die Veranstalter sich jedoch weigerten, die gewünschten Änderungen vorzunehmen, setzte Reilly den gesamten Abend ab. Der „New York Times“ sagte er dazu: „Wenn ein künstlerisches Projekt eine religiöse Gruppe verleumdet, entspricht dies nicht unserem Auftrag, das Gute, Wahre und Schöne zu befördern.“ In dem Stück sieht er eine „klare Beleidigung der Muslime“.

Neil LaBute: "Es ist nicht die Zeit, Angst zu haben"

Der Dramatiker, Filmemacher und Regisseur Neil LaBute, 52, inszeniert Erfolgsstücke am Broadway und befasst sich in seinen gesellschaftskritischen Werken mit Ressentiments, Rassismus und politischer Hysterie. Längst werden seine Theaterstücke weltweit gespielt, in Berlin unter anderem am Renaissancetheater und der Komödie am Ku’damm. 2016 wird er erstmals in Deutschland selber inszenieren, Tschechows „Onkel Wanja“ in Konstanz. Der Veranstalter habe das Recht, den Abend abzusagen, meinte er, auch wenn ihn dies traurig stimme.

„Dies ist nicht die Zeit, sich zu verstecken oder Angst zu haben, im Leben wie in der Kunst“, sagte LaBute laut Website des NCAC. Es sei jetzt an der Zeit, für seine Überzeugungen gerade zu stehen. Eine Äußerung, die auf die jüngeren Auseinandersetzungen wegen Mohammed-Karikaturen und islamkritischer Veranstaltungen anspielt. Nach dem „Charlie Hebdo“-Attentat mit 12 Toten in Paris hatte es weitere Drohungen und Anschläge gegeben, zuletzt Anfang Mai auf eine islamkritische Ausstellung in Garland, Texas.

"Mohammed Gets a Boner" reflektiert den Mechanismus der Zensur

Gegenüber der „New York Times“ betonte LaBute, dass sein Monolog nicht vom Propheten „Muhammad“ selbst handele, der ohnehin anders buchstabiert werde als in seinem Stücktitel. Offenbar reflektiert "Mohammed Gets a Boner" eben jenen psychologisch-politischen Mechanismus von Rücksichtnahme und (Selbst-)Zensur, dem LaButes Werk nun zum Opfer fiel.

In den USA wird die Meinungs- und Pressefreiheit als hohes Gut verteidigt. Geht es um religiöse Autoritäten und Institutionen, werden die Grenzen dieser Freiheit jedoch enger gezogen. Anders als in Europa verzichten die meisten Tageszeitungen und seriösen Medien auf religiöse Karikaturen. Auch hatten über 200 namhafte Schriftsteller und PEN-Mitglieder gegen die Verleihung einer Auszeichnung für Mut und Meinungsfreiheit an „Charlie Hebdo“ seitens des amerikanischen PEN protestiert – darunter Rachel Kushner, Joyce Carol Oates, Michael Ondaatje und Teju Cole. Aktivisten wie der Journalist Glenn Greenwald, der Edward Snowdens NSA-Enthüllungen mit veröffentlichte und Gründungsmitglied der „Freedom of the Press Foundation“ ist, unterstützen die PEN- und „Charlie Hebdo“-Kritiker. Die vorzeitige Absetzung von LaButes Bühnen-Monolog dürfte ihnen gefallen.

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