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Kultur: Zeppelin und BSE: Eine Glosse von Erik Straub

Der Blick aus einem Zeppelin heraus auf Berlins Mitte würde offenbaren, dass Schinkel zwar den antiken Tempel rezipierte, den Opferaltar aber stets außer Acht gelassen hat. Dabei war es der Altar, an dem das Volk seine religiöse Gemeinschaft erlebte.

Der Blick aus einem Zeppelin heraus auf Berlins Mitte würde offenbaren, dass Schinkel zwar den antiken Tempel rezipierte, den Opferaltar aber stets außer Acht gelassen hat. Dabei war es der Altar, an dem das Volk seine religiöse Gemeinschaft erlebte. Denn die Stierhekatomben waren mit dem antiken Opfergottesdienst verbunden, dessen Besonderheit nicht zuletzt im Genuss von Fleisch für die ansonsten eher vegetarisch lebende Bevölkerung bestand.

Die Umkehrung des religiösen Fleischgenusses erleben wir heute. Wir schlachten Rinder, um sie nicht essen zu müssen. Religiös mutet da höchstens ein Stoßgebet an, um die Unversehrtheit des Fleisches in neuer Weise zu erbitten. Und dann: "Keulen", was für ein böses Wort. Das Wörterbuch nennt es "schlagen mit der Keule", aber so persönlich wird es schon nicht werden.

Dabei reicht die Opferbereitschaft der Deutschen weit zurück - bis zu den Anfängen des aerostatischen Prinzips um 1900, das mit dem Namen Zeppelin verbunden ist. Dessen Aufschwung war mit einem vergleichbaren Opfergang verbunden, benötigte man doch zum Abdichten der Traggashüllen undurchlässiges Material. Man nahm dafür vor allem "Goldschlägerhaut" - die Oberhaut des Rinderblinddarms, die bislang bei der Herstellung von Blattgold geadelt war. Für die Zeppeline wurden diese Häute in Schichten auf ein Trägergewebe aufgebracht. Wieder waren es die Rinder, die zwischen Himmel und Erde vermitteln sollten: Um den Riesenphallus zum Fliegen zu bringen, mussten über eine halbe Million von ihnen ihr Häutchen lassen.

Doch die Eroberung des Luftraumes durch das Kaiserreich führte mit der Zeppelin-Spende 1908 zu einem noch emphatischeren Opfergang. Denn dem Luftmessias Zeppelin musste, da er ihm vorschwebende Erfolg auf sich warten ließ, finanziell unter die Arme gegriffen werden. Dies geschah umso bereitwilliger, da der Zeppelin doch das für alle sichtbare Symbol war, das für Deutschland den Himmel kolonisierte. Er verkehrte die religiös-erotische Euphorie des Opfergangs in eine nationale.

Ein kleinerer Rinderblinddarm hatte es also geschafft, dass etwas zu sehen war, wenn man himmelwärts blickte, und dieses Etwas warf den Betrachter gleichzeitig auf sich selbst zurück, um den Betrachter in die Nation zu integrieren. Welche Gemeinschaft soll heute mit dem weder religiös noch nationalen "Keulen" konstituiert werden? Dieses Opfer hat nichts Erhebendes - und ist fern von Ritual und Ziel.

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