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Zersetzungen: Ernest Wichner verteidigt den IM Oskar Pastior

Es wird immer komplizierter, was in der Affäre um die Securitate-Verwicklungen des Dichters Oskar Pastior Dichtung und was Wahrheit ist, was aufgebauschte Geheimdienstprosa und was offener Verrat.

Nach Dieter Schlesaks in der „FAZ“ vom vergangenen Montag erhobenen Vorwürfen, Pastior alias IM Otto Stein trage unter anderem eine Mitschuld am Selbstmord seines Freundes Georg Hoprich im Jahr 1969, hat dort nun Ernest Wichner widersprochen. Wichner, der wie der Münchner Historiker Stefan Sienerth Einsicht in Pastiors Securitate-Akte genommen und dessen Verpflichtungserklärung entdeckt hatte, wirft Schlesak, der selbst als IM Ehrlich geführt wurde, einen leichtfertigen Umgang mit den Quellen und der Abfolge der Ereignisse vor.

Zum Zeitpunkt von Hoprichs Verhaftung und Verurteilung, so Wichner, habe Pastior die Verpflichtungserklärung vom 8. Juni 1961 noch gar nicht unterschrieben gehabt. Und dass Pastior Hoprich nach dessen Haftentlassung bespitzelt habe, gehe allein auf ein Gespräch mit dem Schriftsteller Hans Bergel zurück; es gebe darüber keine Dokumente. Es ist dies alles andere als eine Unschuldsvermutung auf breiter Ebene. Es mahnt aber zu sorgfältigem Umgang mit den Fakten im Einzelfall – und zeigt die Notwendigkeit, die Causa Pastior systematisch zu untersuchen. Ohne den langen Marsch durch die Archive lässt sich dem zersetzenden Wuchern von stiller Befürchtung und konkretem Verdacht nicht Einhalt gebieten. Die Bestürzung gerade seiner engsten, bis zu seinem Tod ahnunglosen Freunde Herta Müller oder Ernest Wichner wird dadurch vielleicht nicht schwinden. Doch erst ein Panorama der Vorgänge erlaubt es, die Distanz zu bestimmen, die man zu Person und Werk Oskar Pastiors künftig einnehmen muss. dotz

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