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Kultur: Zerstört, verloren, beschlagnahmt, geraubt

3000 Gemälde fehlen: Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten stellt ein Verzeichnis ihrer Kriegsverluste vor

„Ernüchternd und deprimierend“ sei es zu sehen, „welche Verluste zu registrieren sind“, so Hartmut Dorgerloh, der Generaldirektor der Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, zum Verlustkatalog der preußischen Schlösser. Rund 3000 Werke verzeichnet dieser Gemäldekatalog, den Dorgerloh und seine Mitarbeiter sowie die brandenburgische Kulturministerin Johanna Wanka gestern in Charlottenburg vorstellten.

Einst nannten die preußischen Schlösser 12500 Gemälde ihr Eigen. Der entsprechende Gesamtkatalog ging im Krieg verloren. Bereits 1927 waren im Zuge des Eigentumsausgleichs 3400 Werke dem „ehemals regierenden Haus Hohenzollern“ überlassen worden. Zudem verfügte Hitler 1939 die Übereignung der Münchner Schack-Galerie – auch sie preußischer Besitz – an Bayern. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und vor den darauf folgenden Beschlagnahmungen durch sowjetische „Trophäenkommissionen“ dürften den Schlössern noch 6000 Gemälde verblieben sein.

Die Hälfte von ihnen fehlt seither: zerstört, verloren, beschlagnahmt, geraubt. Hier und da tauchen Werke auf dem „grauen Markt“ auf; vieles dürfte in Privatbesitz gehortet sein, manches wohl ohne Kenntnis der fortbestehenden Eigentumsverhältnisse. Rund 1000 Bilder befinden sich nachweislich oder zumindest höchstwahrscheinlich in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, teils in Geheimdepots der Museen, teils bei ehemaligen Armeeangehörigen, die vieles mitgehen ließen. Allein 177 Preußen-Bilder hütet die Petersburger Eremitage – die daraus keinen Hehl macht –, rund 100 Bilder dürften in den Depots des Moskauer Puschkin-Museums schlummern.

Zwar betonte Dorgerloh „dezidiert“, dass es sich bei dem von Gerd Bartoschek in mehr als zehnjähriger Arbeit erstellten, 728 Seiten starken Katalog nicht um eine „Beutekunst-Dokumentation“ handele. Doch das Schicksal der preußischen Schlösser ist auf das Engste mit dem Sieg der Roten Armee verknüpft. Nach den Auslagerungsorten, die sich im Osten Deutschlands befanden, wurden die Schlösser – in denen fehlende Bilder teils noch 1946 nachzuweisen sind – ihrer Ausstattung beraubt. 1958, als die sowjetische Regierung die DDR durch Rückgaben von Kriegsbeute aufwerten wollte, erhielt auch die Potsdamer Schlösserverwaltung 500 Werke zurück. Die Frage nach dem zurückbehaltenen größeren Teil überhörte die SED-Spitze. Die Sache versandete, man richtete sich ein.

Einrichten musste sich auch die West- Berliner Verwaltung mit ihrem aus Ruinen wiedererstandenen Schmuckstück Charlottenburg. Insgesamt wurden, getrennt in Ost und West und seit der Wende vereint, rund 1000 Gemälde erworben, die den derzeitigen Bestand auf 4000 Werke erhöht haben. Bei den Verlusten an dem über vier Jahrhunderte gewachsenen Sammlungsbestand handelt es sich überwiegend nicht um Spitzenwerke, sondern um Arbeiten von Kleinmeistern, die jedoch für die Ausstattung der Schlösser wichtig waren und im Hinblick darauf erworben wurden.

Auch wenn bei rund der Hälfte der Verluste selbst fotografische Abbildungen fehlen, sind die Gemälde noch vergleichsweise gut dokumentiert. Daneben aber kamen Zehntausende von Objekten, von Möbeln, Silber, Porzellan abhanden. Diese Verluste sollen im kommenden Jahr in einem „Überblicksband“ wenigstens summarisch vorgestellt werden.

Dorgerloh nannte den Gemäldekatalog eine „gedruckte Suchmaschine“. Er hoffe, „dass eine Neuauflage deutlich dünner ausfallen“ könne. Einzelne Rückgaben aus Privatbesitz, manche gegen „Aufwandsentschädigung“, andere auch ohne Forderung, lassen die Schlösserstiftung hoffen. Dass die Hoffnung nach dem völkerrechtswidrigen Duma-Gesetz zur Verstaatlichung der Beutekunst von 1998 nicht auf Russland ruhen kann, ist den Verantwortlichen klar. Spektakuläre Einzelfälle wie die aus Moskauer Privatbesitz für einen Millionenbetrag zum Kauf angebotene, stark beschädigte Rubens-Leinwand „Tarquinius und Lucretia“ – eines der Glanzstücke unter den Kriegsverlusten – verdecken nur den Stillstand der Rückgabeverhandlungen mit Russland.Immerhin gibt es jetzt eine Grundlage für künftige Bemühungen.

Zerstört – entführt – verschollen. Die Verluste der preußischen Schlösser im Zweiten Weltkrieg. Gemälde I. Potsdam 2004, 728 S., 49 €; in den Museumsshops.

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