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Kultur: Zittert, ihr Herren!

Von Denis Scheck

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (heute, 23.30 Uhr, Gespräche mit: Karen Duve, Johannes Willms und Orhan Pamuk, den Scheck in Istanbul besuchte).

10. Susanne Fröhlich: Moppel-Ich (Krüger, 268 Seiten, 13,90 Euro).

Der dickste Klops gleich zu Beginn: Bekenntnisse einer Frau auf Diät, verfasst in einem dauerwitzelnden und plump vertraulichen Anwanzton, federleicht nur ihrem geistigen Gewicht nach, zentnerschwer dagegen in der Zementierung übelster Rollenklischees. „Es hat mich genervt, aber nicht verrückt gemacht“, schreibt Fröhlich über ihr Übergewicht. Da wäre ich mir nicht ganz so sicher.

9. Werner Tiki Küstenmacher, Lothar J. Seiwert: Simplifiy your life (Campus, 355 Seiten, 19,90 Euro)

Dieser Ratgeber scheitert an seiner bestialischen Vereinfachung, die selbst vor unserem Innenleben nicht Halt macht: „Es kann eine schreckliche Last sein, ständig nach Lösungen für die Probleme anderer Menschen zu suchen“, heißt es da etwa. Also wandern Mitleid und Barmherzigkeit einfach auf den Müll. Durch die „Simplify your Life“-Brille betrachtet, wäre vermutlich auch die Guillotine nur eine höchst effektive Maschine zur Bekämpfung von Kopfschmerzen.

8. Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott (Blessing, 220 Seiten, 16 Euro)

Auch wenn dieses Pamphlet wider den Altersrassismus nach der bewährten Devise für Drehbuchautoren geschrieben ist: „Mit einem Erdbeben anfangen und dann ganz langsam steigern“: Schirrmachers Streitschrift, dass alt nicht gleich doof heißt, war überfällig und ist lesenswert.

7. Walter Kempowski: Das Echolot. Abgesang 45 (Knaus, 496 S., 49,90 Euro)

Ein faszinierendes historisches Kaleidoskop. Der abschließende Band von Kempowskis Kollektivtagebuch ist die Krönung eines Lebenswerks: große Dokumentarliteratur über das Ende des Zweiten Weltkriegs von einem großen deutschen Schriftsteller.

6. Inge Kloepfer: Friede Springer (Hoffmann und Campe, 319 S., 22 Euro )

Dass die Letzten die Ersten sein werden, erweist sich in der Wirklichkeit leider immer nur beim Erben. Friede Springer war die letzte Ehefrau von Axel Cäsar Springer, und ihr wird in dieser Biografie ein Altar errichtet. So spannend sich die Beschreibung des Kampfs um den Konzern liest, so traurig stimmt es, dass Inge Kloepfer jede Distanz zum Gegenstand ihrer Biografie vermissen lässt. Statt kritischem Journalismus weht einen von diesem Buch nur das Rüchlein einer Heiligenlegende an. Ein Buch für Leser, die abends beim Einschlafen „Ich bete an die Macht des Geldes“ summen.

5. Peter Hahne: Schluss mit lustig (128 Seiten, Johannis-Verlag, 9,95 Euro)

„Es lohnt sich, genau auf die Sprache und deren Gebrauch zu achten“, erfahre ich aus Herrn Hahnes Attacke auf die Spaßgesellschaft. Das ist ein schöner und kluger Satz, leider der einzige in diesem wirren Text, der arm an Gedanken, dafür überreich an Stilblüten ist: „Die Höhenflüge seiner Lebensziele kann man nicht auf Sand bauen“, „Jetzt bezahlen wir die Quittung“, „Menschen, die wie Vögel durch die Luft in den Tod springen“. Der schlagendste Beweis für die Existenz einer Spaßgesellschaft auf deutschen Boden ist niemand anderes als der seltsame Vogel Peter Hahne selbst.

4. Ben Schott, Schotts Sammelsurium (Deutsch von Matthias Strobel u.a., Bloomsbury Berlin, 160 Seiten, 16 Euro)

Dass auch vermeintlich unnötiges Wissen wie das über berühmte Belgier, die Abmessungen eines Wettkampfseils beim Tauziehen oder die Gewichtsklassen beim Sumoringen ein Quell steter Freude und Lust sein kann, lässt sich aus diesem herrlich skurrilen Hausbuch des Abseitigen erfahren.

3. Corinne Maier: Die Entdeckung der Faulheit (Deutsch von Hanna van Laak. Goldmann, 160 Seiten, 12 Euro)

Ihr Gewaltigen der Wirtschaft, ihr Lenker von Firmen, ihr Herren der Konzerne: Zittert! Die Französin Corinne Maier hat eine glänzende Polemik über die Unkultur der Großunternehmen und das verlogene Neusprech ihres Managements geschrieben. Ein Hohelied auf die innere Kündigung, frech, subversiv und geistreich. Gern würde ich dieses Buch weiter loben, aber ich bin zu faul.

2. Jürgen Neffe: Einstein (Rowohlt, 496 Seiten, 22, 90 Euro)

Ab und an packt einen ja doch die Neugier, in welchem Universum man eigentlich lebt. Jürgen Neffes herausragende Biografie befriedigt diese Neugier gleich doppelt: zum einen durch die leicht fassliche Darstellung von Einsteins Beitrag zur Physik, zum anderen durch die packende Schilderung von Einsteins Leben und Nachleben. Ein tolles, ein schönes Buch, der ideale Einstieg ins Einstein-Jahr.

1. Sabine Kuegler: Dschungelkind (Droemer, 352 Seiten, 19 Euro 90)

Als kleines Mädchen begleitet Sabine Kuegler ihre Eltern zu einem Stamm in West-Papua, den Fayus. Exotischer und auch befremdlicher als die Sitten der Fayus erscheint mir zwar der christliche Missionsglaube ihrer Eltern, der unreflektiert bleibt, doch weil Sabine Kuegler in diesem naiven, aber nicht verlogenen Buch dem billigen antimodernen Impuls selten nachgibt, sondern spannend und einfühlsam zu erzählen weiß, bereitet die Lektüre Vergnügen.

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