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Kultur: Zombies küsst man nicht

Zack Snyders „Dawn of the Dead“ begräbt eine Kleinstadt unter lebenden Leichen. Das Regiedebüt reanimiert ein halb vergessenes Genre

Zombies sind eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits sind sie dumm, vollkommen unorganisiert und manchmal etwas tolpatschig. Andererseits sollte man sie als Gegner nicht unterschätzen, denn sie haben enorme Kräfte. Und sie sind verdammt hungrig. Auf Menschenfleisch.

Das Städtchen Everett im US-Staate Wisconsin ist ein adretter, kleiner Ort. Von oben betrachtet sieht er aus wie Legoland: Grün leuchten die geharkten Vorgärtchen, weiß die Zäune vor den Reihenhäusern, aquamarinblaue Farbtupfer die Swimmingpools. Zwischen Mikrowelle, Bowlingbahn und Einkaufszentrum leben die 750000 Einwohner ein total normales amerikanisches Leben. Sie waschen ihre Wagen, lieben sich unter der Dusche und essen aus der Mikrowelle.

Dies ändert sich schlagartig über Nacht. Ana Clark erlebt dies so: Im Schlafzimmer der hübschen jungen Frau taucht ihre kleine Tochter auf. Sie ist offensichtlich verletzt, Blut strömt ihr übers Gesicht. Wenige Sekunden später ist Ana auf der Flucht. Vor ihrer Tochter und auch vor ihrem Ehemann, die sich beide in äußerst beißfreudige Ungeheuer verwandelt haben.

„Dawn of the Dead“ kommt nach einem kurzen Vorspiel schnell zur Sache: Blut wird fließen, und zwar reichlich. Everett, die Vorstadthölle der Spießigkeit, hat sich in eine apokalyptische Landschaft völliger Entgrenzung verwandelt. Nachbarn, die sich einst friedlich zum Grillen trafen, essen sich nun gegenseitig auf – roh und ungewürzt. Ana gelingt vorerst die halsbrecherische Flucht. In der zentralen Shopping Mall verschanzt sich ein zusammengewürfeltes Häufchen Überlebender, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte.

Es ist dies ein Szenario, wie man es aus Katastrophenfilmen kennt: Ein schwarzer Cop (Ving Rhames), ein schweigsamer Nerd (Jake Weber), ein Krimineller (Mekhi Phifer). Auch eine Schwangere, ein Yuppie und ein primitiver Fiesling (Michael Kelley) finden sich in dieser Arche Noah aller menschlichen Typen ein. Sarah Polley gibt die patente blonde Krankenschwester Ana – ein Typus, der auch bei keinem Flugzeug-Katastrophenfilm fehlen darf. Die Situation (ein paar hunderttausend hungrige Zombies vor der verrammelten Tür und kein menschliches Lebenszeichen weit und breit) mag die Beteiligten zwar zusammenschweißen, verursacht aber auch beträchtlichen natürlichen Stress. Zumal die verängstigten Kleinbürger erst allmählich herausfinden, wie man sich der lebenden Leichen entledigt: mit einem gut gezielten Kopfschuss. Hätten sie allerdings jemals einen Zombiefilm im nächstgelegenen Megaplex gesehen, so wäre ihnen diese Methode sicher vertraut gewesen. Hätten sie etwa rechtzeitig „Dawn of the Dead“ aus dem Jahre 1978 in ihrer Videothek ausgeliehen, so wäre ihnen auch die eigene Situation sehr bekannt vorgekommen – der Film von George A. Romero dient dem Remake als Vorlage.

Regisseur Zack Snyder benutzt in seiner Neuauflage des Klassikers das bekannte Szenario. Schon damals schlug der Kaufrausch im Einkaufszentrum in einen Blutrausch um. Der Spezialeffekt-Experte Tom Savini, vormals Kriegsfotograf in Vietnam, hatte die Beiß- und Fledderorgie derart detailfreudig inszeniert, dass ein director’s cut nur wenige Wochen in den US-Kinos lief und dann eilig abgesetzt wurde. Die deutsche Fassung wurde indiziert, erfreut sich unter Kennern allerdings steter Beliebtheit – nicht zuletzt, weil Produzent Dario Argento mit seiner Band „The Goblin“ damals selbst den Soundtrack einspielte.

Wie schon dem Original geht es auch Snyders Version nicht mehr um die Ursprünge des Zombies. Jene Figur ist aus der haitianischen Voodoo-Mythologie bekannt und tauchte schon in der Literatur der Zwanzigerjahre auf, etwa bei Henry S. Whitehead („Jumbee“) oder William Seabrook („The Magic Island“). In den späten Siebzigerjahren spielten Schocker wie „Ein Zombie hing am Glockenseil“ oder „Children shouldn’t play with dead things“ pietätfrei mit den Tabus von Körpergrenzen und Verwesung.

„Dawn of the Dead“ geht es nicht um die Ergründung der kultischen Ursprünge der Wiedergänger. Die wandeln nicht auf Erden, um den Sündenpfuhl namens Gesellschaft zu bestrafen, sondern schlicht, weil in der Hölle kein Platz mehr ist, wie die Gejagten aus den Nachrichten erfahren. Zack Snyder gelingen in seinem Regiedebüt einige Szenen mit (makabrem) Humor, etwa eine im Musikvideo-Stil gehaltene Szene, in der die Gefangenen einen allzu menschlichen Alltag mitten im Inferno erleben. Und der finale Ausbruchversuch ist eine gelungene Parodie auf die Handkamera-Ästhetik des „Blair Witch Project“.

In 15 Berliner Kinozentren, Originalfassung im Cinemaxx Potsdamer Platz. Der seltene, zweieinhalbstündige Director’s Cut des Originals von 1978 läuft am Sonntag, 25.4., um 21 Uhr im Zinema, Z-Bar, Bergstr. 2 (Mitte).

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