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Kultur: Zu dir, mein Gott

Das vermutlich letzte Bild von Mohammed Mahmoud Nasr, 22: Er hatte am 12. August 2001 ein Selbstmordattentat in Kiryat Motzkin, südlich der israelischen Hafenstadt Haifa, verübt, bei dem 15 Besucher eines Restaurants schwer verletzt wurden und er selbst ums Leben kam.

Das vermutlich letzte Bild von Mohammed Mahmoud Nasr, 22: Er hatte am 12. August 2001 ein Selbstmordattentat in Kiryat Motzkin, südlich der israelischen Hafenstadt Haifa, verübt, bei dem 15 Besucher eines Restaurants schwer verletzt wurden und er selbst ums Leben kam. Wie man aus dem Novemberheft des Magazins "Geo" erfährt, lassen sich viele der jungen palästinensischen Attentäter kurz vor ihrem "Märtyrer"-Tod in Fotostudios als künftige Heilige in märchenhaft idyllischen Kulissen aufnehmen: als Ikonen und zur Erinnerung für ihre Familien.

Der Mörder vor der Tat und dem eigenen Tod: unbeholfen, rührend fast und alles andere als die Aussicht aufs Paradies in den Augen. Viele Monatszeitschriften haben zuletzt versucht, auf die Ereignisse des 11. September zu reagieren (vgl. Tsp. vom 1. 11. zum neuen "Merkur"). "Geo" legt nun eine Reportage vor zum Thema "Selbstmord-Attentäter: Wie Menschen zu Bomben werden". Es ist eine populärwissenschaftliche Kurzgeschichte des unheimlichen Phänomens; die Autoren beschreiben vor allem moderne Formen der Gehirnwäsche und Autosuggestion, bis hin zu einem inneren "Tunneleffekt", der womöglich auch Atta & Co. beherrscht hat.

Ein Seitenblick gilt dabei auch den japanischen Kamikaze-Piloten im Zweiten Weltkrieg. Hierbei wäre allerdings an ein längst vergriffenes, zuerst 1956 im Limes Verlag erschienenes Buch zu erinnern: Es hieß "Sturm der Götter" und enthält eine Auswahl von (schwermütigen und nur selten euphorischen) Abschiedsbriefen jener meist auch nur Anfang 20-jährigen Selbstmordflieger. In Japan liegen ihre Briefe als "nationale Dokumente" in einer mehrbändigen Ausgabe vor.

Natürlich boomt die Islam-Literatur. Und vorzüglich hat die Berliner Redaktion von "Lettre International" reagiert. Neben schnellen Äußerungen aus den Tagen nach dem Terror in den USA, neben einem Interview mit Paul Virilio und Ahmed Rashids informativem Essay "Die Taliban" glänzt "Lettre" im November durch ein Gespräch mit dem tunesischen Philosophen Abdelwahab Meddeb zum Thema "Die Krankheit des Islam". Es ist bis heute der wohl erhellendste Beitrag zu den kulturellen und religionsgeschichtlichen Fragen und dem politischen Verhältnis des Westens zum Nahen und Mittleren Osten. Originell ist die Unterscheidung zwischen "imperialer" und "imperialistischer" Politik: Es fehle Amerika jener imperiale, im äußeren Einflussbereich eher schiedsrichterlich denn parteilich auftretende Gestus, der zu seinen Hochzeiten das Römische oder das Osmanische Reich ausgezeichnet habe.

P.v.B.

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