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Kultur: Zu groß, zu teuer

Götz Adriani geht und rechnet mit dem Modell Sammlermuseum ab

Eine schlichte Pressemitteilung gab es nur, keine feierliche Verabschiedung. Und doch ist der Abgang von Götz Adriani, Gründungsdirektor des Karlsruher Museums für Neue Kunst (MNK), mehr als nur eine Personalie. Dahinter steckt der vorzeitige Rückzug eines der bundesweit erfolgreichsten Ausstellungsmacher, eines kulturpolitischen Strippenziehers, Mahners und Rufers, bei dem man nie recht wusste, ob er der Sache oder nur sich selbst dienen wollte. Ein gefährliches Spiel, denn Adrianis Agieren schadete beidem. Worum es ging? Um Persönliches und Grundsätzliches, die Rolle des Museums schlechthin und die Zukunft einer Institution, die sich eigentlich vorgenommen hatte, selbst die Zukunft zu sein.

Genau vor zwanzig Jahren hatte das Land Baden-Württemberg unter Lothar Späth eines seiner wirklich zukunftsweisenden Kulturprojekte auf den Weg gebracht. Angelehnt an den Gründungsgedanken des Bauhauses wurde damals die Idee jenes Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) aus der Taufe gehoben, das sich heute in Karlsruhe befindet und dort „aktiv an der Arbeit für die Zukunft“ mitwirkt. Allerdings war es in den vergangenen Jahren merklich ruhiger geworden um das ZKM, zu dem neben der Hochschule für Gestaltung, dem Medienmuseum, etlichen Instituten für Bildmedien, Musik und Grundlagenforschung, seit fünf Jahren auch das Museum für Neue Kunst gehört. In der ehemaligen Waffen- und Munitionsfabrik, in der das Museum residiert, zündelte es eher in den Führungsetagen – namentlich zwischen den Direktoren des ZKM und des MNK, Peter Weibel und eben Adriani. Bis diese Ränkespiele schließlich das gesamte ZKM bedrohten. Im Oktober stellte Götz Adriani die Daseinsberechtigung seiner eigenen Institution in Frage. Man habe „längst zu viele Museen“, erklärte er in einem Interview. Die originäre Idee des Sammlermuseums, die dem MNK zugrunde liege, stecke in einer „Sackgasse“. Er beklagte die oftmals „bescheidene Qualität des Eingebrachten“, womit er allerdings nicht die im MNK präsentierten Sammlungen Froehlich, Weisshaupt, Grässlin und FER gemeint wissen wollte. Kurzum: Das Gesamtkonzept des ZKM sei die Ausgeburt einer unzeitgemäßen Hyperbolie der Achtzigerjahre – „zu groß, zu ineffizient, zu teuer“.

Die Sammler schwiegen. Die Medienhochschule, vertreten durch Boris Groys, Hans Belting, Peter Sloterdijk, fühlte sich nicht angesprochen. Stattdessen geißelten Politiker die „öffentlichen Verunglimpfungen durch Adriani“ und beschworen den „kulturellen Mehrwert“ des Hauses für Stadt und Land. „Dem ZKM gehört die Zukunft", wiederholte der Karlsruher Oberbürgermeister Fenrich das Glaubensbekenntnis von vor zwanzig Jahren – und übergab als Stiftungsratsvorsitzender die Leitung jenem Mann, der sich aus der Debatte geschickt herausgehalten hatte: Peter Weibel. Ausgerechnet Adrianis notorischer Widersacher soll nun das MNK strukturell und inhaltlich in das ZKM integrieren.

Und Götz Adriani selbst? Auf eine feierliche Verabschiedung hat er verzichtet, seine Zukunft liegt dort, wo seine Erfolgsgeschichte eigentlich begann – als Chef der Kunsthalle Tübingen, wohin er einst die großen Cézanne-, Lautrec-, Renoir-Ausstellungen geholt hatte. Seit Februar 2003 ist die Kunsthalle in eine Stiftung übergeführt. Mit diesem Konstrukt will sich der Gemeinerat die herausragende Arbeit des bis 2005 amtierenden Direktors auch über dessen Pensionierung hinaus sichern. Finanziell, vor allem aber personell. Den Aufsichtsratsvorsitz der Stiftung hat übrigens Götz Adriani übernommen.

Ralf Christofori

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