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Kultur: Zukunft im Käfig

Das Freedom Theatre aus Jenin gastiert in Berlin

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York streitet diese Woche darüber, ob Palästina als eigenständiger Staat anerkannt werden darf. Es werden Phrasen gedroschen und Kompromisse gesucht. Das Freedom Theatre aus der palästinensischen Stadt Jenin, das jetzt in der Schaubühne gastiert, kommt dagegen fast ohne Worte aus. Mit Gesten und körperbetontem Spiel vermitteln die sieben Schauspielschüler in dem Stück „Sho kman“ (Was noch?), wie der Alltag unter der Besatzung aussieht. Was er mit den Menschen macht, die im Schatten von Gewalt aufwachsen. Wie sieht die Zukunft in einem Käfig aus? Was bedeutet es, an einem Ort aufzuwachsen, wo andere über deine Zukunft bestimmen? Ein Ort, an dem die Schwachen keinen Platz haben und der einzige Weg zu überleben ist, Stärke zu zeigen? Das sind die Fragen, die die jungen Palästinenser beschäftigen. New York scheint Lichtjahre entfernt.

Das Freedom Theatre tourt zum ersten Mal nach der Ermordung ihres Leiters Juliano Mer-Khamis wiedert durch Deutschland. „Das neue Stück ist ein Zeichen der Entschlossenheit weiterzumachen“, sagt Tsafrir Cohen von der Hilfsorganisation Medico, die das Projekt im Norden der Westbank seit Jahren unterstützt. Mithilfe von Dramatherapie arbeiten hier Kinder und Jugendliche ihre Probleme und Ängste auf – unter den Schauspielschülern sind zahlreiche ehemalige Kämpfer. 2009 waren sie bereits in Berlin zu Gast.

Der im April vor seinem Theater erschossene Mer-Khamis war eine eindrucksvolle Gestalt, ein Wandler zwischen den Welten: Sohn einer jüdisch-israelischen Mutter und eines palästinensisch-israelischen Vaters hat er immer wieder für Verwirrung gesorgt. Der Israeli hat die Besatzungspolitik seiner Regierung angeprangert. Aber er wandte sich auch gegen die Enge der konservativen palästinensischen Gesellschaft in Jenin. Mer-Khamis war radikal unabhängig. Vielen im Flüchtlingslager ist das Theater mit seiner professionellen Schauspielschule ein Dorn im Auge – zumal hier Mädchen und Jungen teilweise gemeinsam unterrichtet wurden. Mer-Khamis’ Mörder sind bis heute nicht gefasst und es gab weitere Drohungen gegen das Theater. Daraufhin haben 13 namhafte Intendanten und Theaterschaffende zusammen mit Medico international zur Unterstützung des Theaters aufgerufen. Darunter auch Thomas Ostermeier und Ulrich Khuon.

Das Besondere am neuen Stück ist, dass es nicht nur einseitig die israelische Armee angeprangert. Vielmehr erkunden die jungen Leute, wie Besatzung und Gewalt sich nach innen kehren und dort zum Chaos führen können. Wie Freundschaften und Familien zerstört werden. Mer Khamis wäre sicher zufrieden mit seiner Truppe. Andrea Nüsse

Schaubühne, 24./25.9., 18 Uhr, 26./27.9., 20 Uhr, anschließend Podiumsdiskussion

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