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Verwandlungskünstler. Kirk Douglas mit Senta Berger in „Der Schatten des Giganten“.

© imago/AD

Zum 100. Geburtstag von Kirk Douglas: Der Schmerzensmann

Ein Held, der auch den Schurken spielen kann: Kirk Douglas schauspielert zwar nicht mehr, aber meldet sich per Twitter.

Der Tod steht ihm gut, schon lange. Kirk Douglas ist oft gestorben, plötzliche, grausame, sanfte und blutige Tode. Im Noir-Thriller „Out of the Past“ verkörpert er einen scheinbar unbesiegbaren Mafiaboss, der von seiner habgierigen Geliebten niedergeschossen wird. „Odin“, eine Gottesanrufung, ist sein letztes Wort im Sandalenfilm „Die Wikinger“, wenn er als einäugiger Krieger seinen von Tony Curtis gespielten Halbbruder schon besiegt glaubt, dann aber einen Moment zögert und ein Schwert in den Bauch gerammt bekommt. In Stanley Kubricks Klassiker „Spartacus“ wird er zusammen mit hunderten anderen Sklavenrebellen an der Via Appia gekreuzigt, Mahnmal des Barbarentums einer Kultur, die sich den Barbaren überlegen fühlte. Bevor der Revolutionsführer wegdämmert, zeigt ihm seine Geliebte noch das gemeinsame Baby: „Das ist dein Sohn. Er wird frei sein.“

Pistole, Schwert, Kreuz. Kirk Douglas’ Karriere wirkt wie eine einzige Via Dolorosa. Er gehört zu den wenigen Schauspielern, die mit der gleichen Überzeugungskraft den Helden oder den Schurken spielen konnten. Vielleicht liegt das an seinem spitzen Kinn mit dem berühmten Grübchen oder dem schiefen Lächeln, das er genauso schalkhaft wie aasig aussehen lassen kann. Im Krimi und im Western muss meist der Bösewicht sterben, im Melodram der Held. Den Aufstieg zum A-Star schaffte Douglas gleich 1949 mit seiner ersten Hauptrolle im Boxerdrama „Zwischen Frauen und Seilen“.

Sein Auftritt als Boxer öffnete ihm die Türen Hollywoods

Joan Crawford schickt ein schmeichelhaftes Telegramm und will mit ihm ausgehen. „Sie war eine Frau, von der ich als Heranwachsender geträumt hatte“, schreibt der Schauspieler in seinen Memoiren. Allerdings verläuft die Begegnung desillusionierend. Als die beiden sich küssend auf ihrem Teppich wälzen, sagt sie: „Du bist so sauber. Ich fand es herrlich, dass du dir für den Film die Achselhöhlen rasiert hast.“ Aber Douglas hatte einfach sehr helles Haar, er musste sich nicht die Achseln rasieren. Sein Auftritt als Boxer verschafft Douglas die erste von drei Oscar-Nominierungen und einen Achtjahresvertrag mit dem Warner-Brothers-Studio. In der Folge entstehen Meisterwerke wie das Biopic „Der Mann ihrer Träume“ über den Jazztrompeter Bix Beiderbecke, Howard Hawks’ Western „Der weite Himmel“ oder die Mediensatire „Reporter des Satans“ von Billy Wilder.

Für den Sohn jüdischer Einwanderer konnte es "nur nach oben" gehen

Auch ein Westernheld: Kirk Douglas
Auch ein Westernheld: Kirk Douglas

© imago/EntertainmentPictures

Geboren wurde der Sohn eines russisch-jüdischen Einwanderers am 9. Dezember 1916 mit dem Namen Issur Danielovitch Demsky in der Industriestadt Amsterdam am südlichen Ende des Bundesstaats New York – und als „Nichts“. Weil keine der örtlichen Fabriken Juden beschäftigte, musste der Vater die neunköpfige Familie als Lumpensammler durchbringen. Der Sohn finanzierte sein Literaturstudium und die anschließende Schauspielausbildung mit Jobs als Hausmeister und Ringer auf Jahrmärkten. Für die Theaterschule änderte er seinen Namen in Kirk Douglas, „Norman Dems“ hatte auch zur Wahl gestanden.

Als Douglas 1945 nach seinem Kriegsdienst bei der Navy und ersten Theatererfolgen in Hollywood ankommt, glaubt er, das Gelobte Land erreicht zu haben. „Das Haus war einfach enorm, palastähnlich“, erzählt er über eine Filmparty. „Eine Kapelle spielte, und die Tische waren überladen mit Shrimps, Hummer und Kaviar. Wo gab es diese Partys, als ich in New York fast verhungert wäre?“

Trotzdem wird den Sohn des Lumpensammlers niemals das Gefühl verlassen, nicht ganz dazuzugehören. Dass er nie den Oscar als bester Schauspieler bekommen hat, führt er auf den latenten Antisemitismus der WASPs zurück, der White Anglo-Saxon Protestants. Erst 1996 wurde er mit einem Ehren-Oscar fürs Lebenswerk ausgezeichnet.

Bei einem Dreh in München 1957 staunte Douglas über die Deutschen

Als Douglas 1957 in den Münchner Geiselgasteig-Studios das Antikriegsdrama „Wege zum Ruhm“ drehte, war er erstaunt über die Verdrängungsleistung der Deutschen. „Soweit ich feststellen konnte, hat kein einziger Deutscher Hitler je gewählt“, spottet er. „Niemand hatte an die Ideologie der NS-Partei geglaubt. Und dennoch muss es Millionen gegeben haben.“ Die erste Zusammenarbeit mit dem Regiegenie Stanley Kubrick kommt nur zustande, weil der Hauptdarsteller mit seiner Produktionsfirma Bryna die Finanzierung übernimmt.

„Wege zum Ruhm“ handelt von französischen Schützengrabensoldaten im Ersten Weltkrieg, die sich nicht in einer sinnlosen Offensive abschlachten lassen wollen und deshalb wegen „Feigheit vor dem Feind“ hingerichtet werden sollen. Der Film spielte seine Kosten nicht ein, auch weil er in Frankreich nicht in die Kinos kam, nachdem die Regierung ankündigte, alle Kopien beschlagnahmen zu lassen. Douglas verstand sich immer als politischer Filmemacher. Spätestens als Produzent und Hauptdarsteller von „Spartacus“ sorgte er in Hollywood für Aufruhr.

Kirk Douglas als Titelheld von „Die Fahrten des Odysseus“.
Kirk Douglas als Titelheld von „Die Fahrten des Odysseus“.

© picture-alliance /

Nicht nur, dass er den noch weitgehend unbekannten Stanley Kubrick als Regisseur für das Großprojekt durchsetzte, nachdem er sich am Drehort mit Anthony Mann überworfen hatte. Er gab auch das Drehbuch bei Dalton Trumbo in Auftrag, der wegen seiner kommunistischen Vergangenheit vom Komitee für unamerikanische Umtriebe auf eine schwarze Liste gesetzt worden war. Den Namen eines der „Hollywood Ten“ erstmals wieder in einem Vorspann zu nennen, war im Jahr 1960 ein offener Affront.

„Ich konnte nur nach oben“, so bilanziert Douglas seine Karriere. Seinen Kindern hat er von einem Job im Showgewerbe dringend abgeraten. Schließlich ist es fast genauso schwer, einem Erfolg standzuhalten wie einem Misserfolg. Trotzdem wurde sein Sohn Michael ebenfalls ein Weltstar. Zuletzt ist Douglas vor allem als Blogger aufgefallen, vor Kurzem wandte er sich gegen den einwandererfeindlichen Wahlkampf von Donald Trump: „Dies sind nicht die amerikanischen Werte, für deren Schutz wir im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben.“ Wahrscheinlich starb kein anderer Schauspieler öfter auf der Leinwand. Deshalb ist Kirk Douglas unsterblich. Heute wird er hundert Jahre alt.

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