zum Hauptinhalt
Viel erlebt: Dass Lucky Luke schon 70 ist, sieht man ihm meist nicht an - hier schon. Für Komplettansicht auf das Kreuz klicken.

© Zeichnung: Bela Sobottke

Lucky Luke: Old Man Luke - der Comic-Cowboy wird 70

Erst klein und knubbelig, zuletzt düster und lakonisch: Lucky Luke erfreut seit 70 Jahren die Herzen von Comicfans. Zeichner Bela Sobottke gratuliert.

Ich hatte einen guten Start ins Leben: Als ich 1975 geboren wurde, hatte mein fünf Jahre älterer Bruder bereits damit begonnen, eine Comic-Basisausstattung zusammenzustellen, bestehend aus „Tim und Struppi“ und „Asterix“. Sowie ich einen Comic halten konnte, verschlang ich das alles mit großem Interesse. Besonders angetan hatten es mir allerdings drei Außenseiter in seiner Sammlung: „Den Daltons auf der Spur“, „Jesse James“ und „Kalifornien oder Tod“.

Rückblickend betrachtet sind diese drei Alben der perfekte Einstieg in die Welt von „Lucky Luke“, denn sie versammeln alle typischen Elemente der Serie. Da wäre zunächst einmal das Stammpersonal: Lucky Luke natürlich, und sein treues und alles kommentierendes Pferd Jolly Jumper. Der bekloppte Köter Rantanplan. Und die vier zumeist in schönster Orgelpfeifen-Formation auftauchenden Dalton-Brüder. Weitere Zutaten sind Parodien historischer Figuren des Wilden Westens sowie Motive, die zum festen Repertoire des Genres gehören. Zum Beispiel der Siedlertreck nach Westen.

Zeichner Morris entwickelte Lucky immer weiter

Alle drei Comics stammen aus der Hochphase von Lucky Luke. Sie wurden im Original Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre veröffentlicht und in Deutschland (nach teilweisen Veröffentlichungen in „Der heitere Fridolin“, „Fix und Foxi“ und „Zack“) in der ersten Hälfte der Achtziger bei Ehapa verlegt, wo sie noch heute zu Hause sind.

Zeichner Morris hatte zuvor seine Schöpfung so weit geschliffen, dass ihr endgültiges Aussehen etabliert war, und sein langjähriger Szenarist René Goscinny war in fabulierfreudiger Höchstform. Diese drei Alben wurden, nachdem ich sie meinem Bruder abgeluchst hatte, der Grundstein für meine Comicsammlung (die mir inzwischen längst über den Kopf gewachsen ist). Außerdem inspirierten sie mich, selbst mit dem Comiczeichnen zu beginnen: Meine Lucky-Luke-Porträts erfreuten sich in den Poesie-Alben meiner Grundschule großer Beliebtheit.

Ross und Reiter: Eine Szene aus dem ersten Lucky-Luke-Abenteuer, das Ende 1946 veröffentlicht wurde.
Ross und Reiter: Eine Szene aus dem ersten Lucky-Luke-Abenteuer, das Ende 1946 veröffentlicht wurde.

© Spirou Almanach 1947, Dez 1946, Copyright Lucky Production

Dass Lucky Luke nicht immer so durchdefiniert war, wusste ich als Kind natürlich nicht. Der Belgier Maurice de Bévère (1923 – 2001) erfand den Cowboy unter seinem Pseudonym Morris bereits lange zuvor. Die erste Lucky-Luke-Geschichte erschien Ende 1946 im „Spirou Almanach 1947“, einer heute unter Sammlern heiß begehrten Sonderausgabe des „Spirou Magazins“ (in der übrigens auch die ersten von André Franquin gezeichneten „Spirou“-Seiten abgedruckt wurden). „Arizona 1880“ ist eine zwanzigseitige Geschichte, die nicht viel mehr als eine Verfolgungsjagd erzählt, dies aber ausgesprochen schwungvoll und charmant. Dieser Ur-Lucky-Luke ist noch klein und knubbelig, hat keine Haartolle, keine Weste und nur vier Finger. Sowohl dem Aussehen der Figuren als auch dem flüssigen, storyboard-artigen Erzählstil merkt man an, dass Morris damals stark von Disney-Cartoons geprägt war. Von da an entwickelte er die Figur ständig weiter, und ich kann mich nur schwer entscheiden, welche Inkarnation mir am besten gefällt. Wahrscheinlich die Übergangsform aus „Lucky Luke gegen Phil Steel“. Morris’ zeichnerische Entwicklung zu beobachten, die verschiedenen Versionen Lucky Lukes zu vergleichen, ist ein großes Vergnügen.

Dieses Vergnügen wird nun anlässlich des großen Jubiläums in Form von Hommage-Bänden wiederbelebt. Matthieu Bonhomme, der sich mit seinen Western-Pulp-Comics „Texas Cowboys“ für den Job empfohlen hatte, liefert mit „Der Mann, der Lucky Luke erschoss“ eine neue Version von Lucky Luke, düster und lakonisch. Passend zu Morris’ Aussage, dass „eine gute Zeichnung zwangsläufig schwarz-weiß“ sei, wurde der Band vorab als schwarz-weißes Album veröffentlicht, in dem der elegante Strich Bonhommes besonders gut zur Geltung kommt. Während der offizielle Morris-Nachfolger Achdé, der die regulären Lucky-Luke-Alben seit Morris’ Tod zeichnet, sich exakt am Original orientiert, ist die freie Interpretation im Falle der Hommage-Bände Teil des Konzepts.

Achdé scheint damit nicht ganz glücklich zu sein – jedenfalls machte er beim Künstlergespräch während des Comic-Salons Erlangen im Mai auffällig viele Witze auf Bonhommes Kosten, die dieser souverän weglächelte. Ein weiteres Hommage-Album (diesmal von Guillaume Bouzard) und ein neues reguläres Album von Achdé stehen bereits in den Startlöchern. Und so reiten die verschiedenen Versionen Lucky Lukes dem Sonnenuntergang entgegen in eine vielversprechende Zukunft. Ein Ruhestand ist – trotz stolzen Alters – nicht in Sicht. Auf die nächsten siebzig, Old Man Luke!

Unser Autor Bela Sobottke lebt in Berlin und hat u. a. Western-Comics wie „Keiner killt so schön wie Rocco“ und den Comicstrip-Sammelband „Utas Truckstop“ veröffentlicht.

Bela Sobottke

Zur Startseite