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Kultur: Zum Jubiläum Quasimodos Hochzeit

Das kostbare Gehäuse ist ein Spätling.Als 1908 in Cottbus das von Bernhard Sehring entworfene Stadttheater eröffnet wurde, war die Blütezeit des Jugendstils schon vorüber.

Das kostbare Gehäuse ist ein Spätling.Als 1908 in Cottbus das von Bernhard Sehring entworfene Stadttheater eröffnet wurde, war die Blütezeit des Jugendstils schon vorüber.Der Architekt hatte noch einmal die Anmut der Linienführung ausgekostet, das Verliebtsein in allegorischen figürlichen Schmuck fast bis zur Ekstase getrieben.Er errichtete den opfermutigen Bürgern der aufstrebenden Stadt ein Theater, das innen und außen höchst ansehnlich ist, von der Hingabe an die Künste Zeugnis ablegt, von Fleiß und Reichtum auch.Allerdings, mit dem Reichtum der Stadt war es so weit nun auch wieder nicht her.In der wechselvollen Geschichte des Jugendstilbaus drohte schon oft das böse Ende, die Schließung des Theaters.In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges diente es gar als Munitionsdepot und entging durch mancherlei Zufall und wohl auch durch entschlossenes, tapferes Handeln der Zerstörung.

Bernhard Sehring (1859-1932) gehörte zu den bedeutenden Architekten seiner Zeit.In Berlin schuf er das Warenhaus Tietz in der Leipziger Straße (1899/1900) mit einer neuartigen, durch eine Glasvorhangwand geschlossenen Fassade und den von der Straße zurückgesetzten Pfeilern.Die fast schlicht wirkende Zweckmäßigkeit dieses Baus und der üppige Schmuck des Theaters in Cottbus bilden einen fast abenteuerlichen Kontrast.Während das Warenhaus längst aus dem Stadtbild Berlins verschwunden ist, blieb der Jugendstil-Nachkomme in Cottbus unverändert erhalten, dank auch einer gründlichen, fünfjährigen Rekonstruktion noch in den letzten Jahren der DDR.

Für das Theaterspiel aber kann auch das reizvollste architektonische Gehäuse nur eine Voraussetzung, eine willkommene Hilfe sein - entscheidend für die Absicht und die Qualität künstlerischer Arbeit ist es nicht.In Sehrings Bau mußte oft Operette gespielt werden, und wieder Operette, um Kasse zu machen.Die Intendanten lösten sich in schneller Folge ab, eine Premiere jagte die andere, oft gab es nur zwei Vorstellungen einer Aufführung.Schauspiel und Oper setzten sich nur mühsam durch, Brechts frühes Stück "Trommeln in der Nacht" etwa kam nur mit vielen vorbereitenden Entschuldigungen auf die Bühne.

Von Cottbus und seinem Jugendstiltheater wird über die Stadt hinaus erst wieder geredet und gestritten, seit Christoph Schroth 1992 die Leitung übernahm.Sieben Jahre Theater in einem nun bald neunzig Jahre alten Haus sind nicht viel, aber sie haben sich eingeprägt.So kräftig, so zupackend, so schnörkellos wird im einzigen Staatstheater Brandenburgs Oper und Schauspiel gemacht.Spartenübergreifende Theaterfeste von der immer neu aufgelegten "Zonenrandermutigung" über die Brecht-Entdeckungen bis zur "Narrenwelt" machten Schluß mit jeder Art provinzieller Beschaulichkeit.Die Cottbuser stellten und stellen sich großen Geschichten, weitreichenden politischen Entscheidungen, spannenden historischen Prozessen.Und sie verstehen es, den Spaß am Theater auf die Zuschauer zu übertragen.Auch Unterhaltung, Essen, Trinken sind in großem Stil inszeniert.Die Komödianten wollen sich selbst und die Leute, für die sie spielen, aus Lethargie und Passivität und Zukunftsangst herausholen.Das gelingt nicht zuletzt, weil neben Schroths Schauspiel das Musiktheater und das Ballett mit GMD Reinhard Petersen, Operndirektor Martin Schüler und Ballettmeisterin Sigrid Kreßmann-Brück in dieses Konzept eines lebendigen, sich der Zeit stellenden Theaters nahtlos eingebunden sind.

Deshalb wird vom 30.September bis 4.Oktober gemeinsam das Fest "Theater 90 Cottbus" gefeiert, mit einer Ausstellung, der Vorstellung eines Buches zur Geschichte des Theaters, Gesprächsrunden über Theaterarchitektur, mit Konzerten und Premieren aller Sparten des Theaters.Darunter die Uraufführung der Oper "Quasimodos Hochzeit" von Rainer Böhm (Libretto: Gerhard Kelling) in einer Inszenierung von Martin Schüler, die Uraufführung des Stücks "Radieschen von unten" (Untertitel: Komödie mit tödlichem Ausklang und Musik) von Dagmar Scharsich und Lessings "Minna von Barnhelm", beide inszeniert von Christoph Schroth.Ein halbes Jahr nach dem Fest, vom 12.bis zum 21.März 1999, geht die 5.Zonenrand-Ermutigung über alle Bühnen, gestaltet von Schauspiel, Musiktheater, Ballett unter dem Motto "Edel sei der Mensch, Horror und gut".

Für sein Theaterhaus, das mit neunzig Jahren in die Reife kommt, hat Christoph Schroth diesen Wunsch: "Mögen die drin sitzen jung sein im Herzen." CHRISTOPH FUNKE

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