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ZUR PERSON: Böse Buben

Ein Schaufenster in der Hauptstadt – der Aachener Sammler Wilhelm Schürmann

Ein Sammler als Galerist, das geht selten gut. Wilhelm Schürmann hat es vor langer Zeit einmal versucht – und schnell wieder aufgegeben, weil er die besten Fotografien immer für sich behalten wollte.

Nun steht der 60-Jährige in seinem Projektraum direkt an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und schaut auf die andere Straßenseite, wo seit neuestem vier Altglastonnen stehen. „Die verstellen den Blick“, grollt Schürmann. Vom Entree der Volksbühne kann man die Kunst im Projektraum, der ehemaligen Galerie Johann König, tatsächlich nicht mehr sehen. Vorher gab es eine wunderbare Blickachse, die zwischen dem Theater und Rita Mc Brides „Middle Managers“ vermittelte: Skulpturen, die wie mausgraue Stromkästen aussehen und ihren Titel ironisch kommentieren, weil das mittlere Management bekanntermaßen ein Feind alles Individuellen ist.

Die Künstlerin selbst hat ihre Arbeiten vor ein paar Wochen im Projektraum arrangiert. So wie Schürmann diese Botschafter einer präzisen Unauffälligkeit jetzt fixiert und dabei den länglichen Raum durchmisst, scheint es, als prüfe er, ob inzwischen nicht doch einer von ihnen aus der Reihe getanzt ist. Zwei Tage lang logiert der Sammler in Berlin, um den Geburtstag jenes renommierten Galeristen zu feiern, mit dem 1973 alles begann: Rudolf Kicken.

„Schürmann & Kicken“ hieß die Galerie, die sie zusammen in Aachen eröffneten. 1977 trennte man sich: Kicken blieb im Kunsthandel und wurde einer der wichtigsten Galeristen für Fotografie, während Schürmann perfektionierte, was ihn ohnehin mehr interessierte – das Sammeln. Und das eigene Fotografieren.

Beides zusammen macht den eigenwilligen Charakter jener Sammlung Wilhelm und Gaby Schürmann aus, in der sich Franz West und Zoe Leonard, Julia Scher und Jason Rhoades, Mike Kelley und der Kriegsfotograf Robert Capa begegnen. In der überbordende Installationen auf eine karge Schwarz-Weiß-Aufnahme treffen, die einen Soldaten im Moment des Sterbens zeigt, obwohl der Tod schon eingetreten ist.

Dieser unauflösbare Widerspruch der Fotografie hat Schürmann schon immer fasziniert. Dass man im Bild festhält, was einen Augenblick später der Vergangenheit angehört. Das ist beunruhigend und verwirrend wie der Titel „kurzdavordanach“, den er 2004 einer Ausstellung mit Exemplarischem aus der eigenen Kollektion in der Photographischen Sammlung der Kölner SK Stiftung Kultur gab. Ein Versuch über das Sehen, kuratiert von einem, der seine Augen jahrzehntelang an Kunst und ebenso hinter der Kamera geschult hat.

Seit 1981 unterrichtet Schürmann als Professor für Fotografie an der FH Aachen im Bereich Design. Natürlich regt die Arbeit mit den Studenten auch die eigene Reflexion an. Es mag sein, dass der Sammler mit „vier, fünf Galerien meines Vertrauens“ älter geworden ist. Dennoch bleibt er neugierig und kauft nach ausgedehnten Streifzügen durch Ateliers mitunter an, was andere noch längst nicht begehrenswert finden.

Einer dieser Künstler hieß Martin Kippenberger. Schürmann hat ihn schon Anfang der achtziger Jahre gesammelt und recht behalten mit seiner tiefen Sympathie für den Kunstguerillero. Inzwischen könnte er die Werke auf Dauerreise schicken. Doch Schürmann verleiht nur noch aus seinem Bestand, wenn die konservatorischen Bedingungen stimmen. Und einiges braucht er selbst, um seinen eigenen Raum zu bestücken, dessen Maße eher kammermusikalisch sind. Dank seiner programmatischen Auswahl und der sorgfältigen Inszenierung fällt er im großen Berliner Angebot dennoch auf.

Vergangenes Jahr war im Projektraum „Les Messieurs d’Avignon“ von Michael Kunze zu sehen – böse Buben der Kulturgeschichte wie Nietzsche oder Houellebecq vor düster romantischen Kulissen. Was auch nicht jedem gefiel. „Und jetzt“, sagt Schürmann, „sind alle Bilder seiner jüngsten Ausstellung weg.“ Noch vor der Vernissage hat die Berliner Galerie Coma Kunzes jüngste Produktion komplett an einen Privatsammler verkauft.

Solche Entwicklungen bestärken Schürmann auch beim Bespielen des eigenen Showrooms, den er im Frühjahr 2006 angemietet hat. Eigentlich nur für zwei Jahre. Doch schon jetzt ist klar, dass er die Räumlichkeiten länger hält. Zumal das Ziel des Sammlerpaars Berlin heißt. Einen Architekten haben sie bereits, nur wohin der Liebling der britischen Kunstszene, David Adjaye, das künftige Haus bauen wird, ist noch nicht entschieden. Es wird jedoch kein „Privatmuseum“, wie jüngst in einem Kunstmagazin behauptet. Sondern, darauf legt Schürmann großen Wert, „ein Privathaus mit Räumen für Kunst“. Alles andere empfindet der Sammler als eitle Geste.

Man lebt mit der Kunst und wird ihr im neuen Gebäude mindestens 200 Quadratmeter reservieren. Wer sich für Valie Export, Richard Prince, Albrecht Schäfer und Helen van Meene interessiert, der kann sich mit dem Hausherrn verabreden. Der Projektraum soll das alles überdauern. „Er ist mein Schaufenster, hat ein tolles Volumen und hervorragendes Licht“, sagt Schürmann. „Warum soll ich ihn wieder hergeben?“

Schürmann Berlin, Weydinger Straße 10. Bis 28. Juli, Fr/Sa 16-19 Uhr

Wilhelm Schürmann, 1946 in Dortmund geboren, studierte bis 1971 Chemie. Als Fotograf ist er Autodidakt.

Die erste Fotografie für seine private Kunstsammlung erwirbt er 1972, ein Jahr danach eröffnet er mit Rudolf Kicken die Galerie „Schürmann & Kicken“ in Aachen.

1977 hört Schürmann als Galerist auf und konzentriert sich stattdessen auf seine eigene fotografische Arbeit. Seit 1981 lehrt er an der FH Aachen als Professor für Fotografie im Fachbereich Design .

Seit dieser Zeit hat Schürmann seine Sammlung mit Bildern, Installationen und Skulpturen kontinuierlich aufgebaut; darunter Werke von US-Künstlern wie Jason Rhoades, Jeff Koons und Paul McCarthy, aber auch Klassiker der Fotografie wie August Sander oder jüngere Stars wie Wolfgang Tillmans.

Parallel arbeitet der Sammler als Fotograf. Seine eigenen Motive, Interieurs und urbane Szenen, waren 2006 in der Galerie Kicken in Berlin zu sehen. Im selben Jahr hat Schürmann auch den Projektraum am Rosa-Luxemburg- Platz angemietet, in dem aktuell Arbeiten von Rita Mc Bride gezeigt werden.

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