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Kultur: ^Zur Sonne segeln"

Der Hohenzollerndamm verbindet die West-City mit dem nahen Grunewald.Doch er ist weit mehr als eine wichtige Verkehrsader des westlichen Berlins.

Der Hohenzollerndamm verbindet die West-City mit dem nahen Grunewald.Doch er ist weit mehr als eine wichtige Verkehrsader des westlichen Berlins.An dem langgestreckten Straßenzug präsentieren sich wichtige Zeugnisse der Berliner Baukultur dieses Jahrhunderts.Mit der Kirche am Hohenzollernplatz von Fritz Höger und der etwas früheren expressionistischen Kreuzkirche finden sich gleich zwei der bedeutendsten Kirchenbauten der Stadt aus den zwanziger Jahren.

Ein besonderer städtebaulicher Schwerpunkt entstand im "Dritten Reich" mit dem Fehrbelliner Platz, den der Hohenzollerndamm durchschneidet.An dieser architektonischen Manifestation nationalsozialistischer Baugesinnung wirkten Architekten wie Otto Firle und Emil Fahrenkamp, der Schöpfer des legendären Shell-Hauses am Landwehrkanal, mit.Ganz unspektakulär wurden die Gebäude seit Kriegsende weiter genutzt, lediglich ihres Skulpturenschmucks verlustig gegangen.Noch heute bildet der Fehrbelliner Platz eines der anschaulichsten Berliner Beispiele für die Architektur des "Dritten Reichs", angereichert um den knallroten Pop-Art U-Bahnhof, mit dem Gerhard Rümmler zu Beginn der siebziger Jahre dem Ensemble einen kraftvollen Farbtupfer verpaßte.

Zwischen Fehrbelliner Platz und dem in den letzten Jahren baulich neu gefaßten Emser Platz hat der Hohenzollerndamm nun zwei bemerkenswerte neue architektonische Akzente erhalten.Mit seiner spitz zulaufenden Ecke zur Sächsischen Straße schafft der Neubau einer Privatklinik eine pointierte Gestaltung des Straßenraums.Arno Bonanni hat dieses zugleich verspielt und würdevoll wirkende Gebäude 1997 / 98 realisiert.Die doppelgeschossigen Pfeiler aus poliertem Edelstahl, die auch den Eingang flankieren, verleihen dem Gebäude einen betont noblen Akzent und heben es zugleich vom Nachbarhaus aus der NS-Zeit ab.Diese gediegene Note setzt sich auch im anschließenden Geschoß fort, das mit dunkelgrünem, geschliffenem Schiefer verkleidet wurde.Es vermittelt den Eindruck eines schwer auf den Pfeilern aufliegenden Gebälks, dessen kreisrunde Fenster einen ornamentalen Charakter haben.So erdverhaftet sich der untere Teil der Klinik gibt, so luftig zeigen sich die klar gegliederten gläsernen Geschosse darüber, bis hin zu den beiden abschließenden Staffelgeschossen.Wichtigster Blickfang des Gebäudes sind die weit ausgestellten weißen Segel.Sie dienen dem Sicht- und Sonnenschutz der dahinter liegenden Operationsräume und betonen durch ihre organische Form den spielerischen Akzent des Baus.

Bei dem Seniorenwohnheim, das seitlich an die Klinik anschließt, handelt es sich ebenfalls um ein Gebäude Bonannis, diesmal aber um Umbau und Aufstockung eines Hauses aus den sechziger Jahren.An die Stelle der Auflösung der Fassade in Glas tritt hier eine Verkleidung mit hellem Kalkstein, eine verkleidete Lochfassade, die dem expressiven Eckbau Halt verleiht.Die symmetrische Fassadenstruktur schafft einen keineswegs langweiligen, doch ruhigen Gesamteindruck.

Gleich vis-à-vis der beiden Bonanni Gebäude hat die Hamburg-Mannheimer Versicherung Ersatz für einen nüchternen Sechziger-Jahre-Bau geschaffen.Kennzeichnend für den Neubau ist ein Kuriosum bei seiner Planung: Während für die Innengestaltung des Bürohauses der Architekt M.P.Burgmayer zuständig war, wurde für die Fassade ein eigener Wettbewerb durchgeführt, den das Hamburger Architektenbüro Böge / Böge-Lindner gewonnen hat.An der Gieseler- sowie der Sigmaringer Straße schließt der Neubau mit einer hellen Kalksteinfassade an die historische Nachbarbebauung an.Die tief in die Fassade eingeschnitten und weit heruntergezogenen Fensteröffnungen verleihen den beiden Baukörpern eine reizvolle Vertikalität.Durch den unregelmäßigen Rhythmus der Fenstereinschnitte schaffen Böge / Böge-Lindner eine fast melodische Bewegtheit des Reliefs.So kommt es, daß der Blick immer wieder an der Fassade entlang pendelt.Zum Hohenzollerndamm dagegen zeigt das Gebäude eine transparente Glasfassade, die sich um die Straßenecken herumzieht.Durch die auskragenden Geschoßstreifen erhält der Bau eine klare horizontale Struktur.Auch an der Straßenfassade findet das Spiel mit den unterschiedlich breiten vertikalen Formaten statt, indem der gläsernen Gebäudehülle in unregelmäßigen Abständen grüne Gneisstreifen zwischengeschoben werden.

Durch das Wechselspiel zwischen den unterschiedlichen Architektursprachen der Häuser von Bonanni und Böge hat der Hohenzollerndamm in diesem Bereich zwei wichtige neue Akzente erhalten, mit denen die architektonische Rolle der Straße fortgeschrieben wird.

JÜRGEN TIETZ

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