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Kultur: Zurück: Im Adagio schwitzen

Die Wiederentdeckung jüdischer Komponisten erlebt zur Zeit eine gewisse Konjunktur. Trotzdem ehrt es die Berliner Symphoniker, so gänzlich unbekannte Werke aufs Programm zu setzen wie im letzten Philharmonie-Konzert.

Die Wiederentdeckung jüdischer Komponisten erlebt zur Zeit eine gewisse Konjunktur. Trotzdem ehrt es die Berliner Symphoniker, so gänzlich unbekannte Werke aufs Programm zu setzen wie im letzten Philharmonie-Konzert. Ihre Wirkung ist schwer abzuschätzen und leider auch nicht immer zuverlässig zu entfalten. So verpuffte Kurt Weills interessante Orchestrierung der israelischen Hymne "Hatikvah" in Unschlüssigkeit. Der kleinen Tanzsuite mit dem vielsagenden Titel "Jüdisches Orchester auf dem Ball beim Bürgermeister", die Michail Gnessin 1926 schrieb, fehlte in der doch recht nüchternen Philharmonie ebenfalls das zündende Flair. Dabei haben etwa die possierlich staksende Gavotte oder der fetzige Galopp in aparten Klangkombinationen ihre satirisch-poetischen Reize. Gnessin hatte unter dem Antisemitismus der Stalinzeit zu leiden, Dmitri Schostakowitsch konnte mit "jüdisch" angehauchter Melodik seine Kritik und sein eigenes Außenseitertum symbolisieren. Solche Anklänge finden sich in den Adagio-Teilen des 2. Violinkonzerts von 1967, dessen vordergründig gefällige Virtuosität so immer wieder mit Trauertönen unterlegt ist. Die junge Russin Anna Rabinova, derzeit Mitglied im New York Philharmonic Orchestra, wird dem mit schlankem, gesanglichem Ton gerecht - doch die abgrundtief traurige Sprachkraft, die hektische Verzweiflung des Werkes erreicht solche Perfektion nicht. So bleibt es dem Dauerbrenner Tschaikowsky vorbehalten, mittels seiner 4. Sinfonie die Farbigkeit, die Vielseitigkeit, den Gestaltungssinn des Orchesters zu schöner Geltung zu bringen.

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