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Kultur: Zurück: Klassik

Lang war die Schlange der Kartensuchenden vor dem Konzerthaus, der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt: Die Verdi-Festtage mit dessen Messa da Requiem zu beginnen, weckte Hoffnungen auf einen pointierten Brückenschlag zwischen prallem Diesseits und ewigem Jenseits. (Etwa wie in Gustav Mahlers "Trinklied vom Jammer der Erde", wo erhobenen Bechers zunächst die grausige Endlich- und Vergeblichkeit des Lebens beschworen wird - und dann erst der Wein die Kehlen hinunterstürzt.

Lang war die Schlange der Kartensuchenden vor dem Konzerthaus, der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt: Die Verdi-Festtage mit dessen Messa da Requiem zu beginnen, weckte Hoffnungen auf einen pointierten Brückenschlag zwischen prallem Diesseits und ewigem Jenseits. (Etwa wie in Gustav Mahlers "Trinklied vom Jammer der Erde", wo erhobenen Bechers zunächst die grausige Endlich- und Vergeblichkeit des Lebens beschworen wird - und dann erst der Wein die Kehlen hinunterstürzt.) Und für eine süffige Aufführung sollten Daniel Barenboim, seine Staatskapelle, der Staatsopernchor und ein gewichtiges Solistenquartett doch die richtige Besetzung sein! (Noch einmal heute im Konzerthaus um 20 Uhr.) Fast hätte man sie in Erwartung kommender Klangpracht völlig vergessen, die mahnenden Worte von Signore Verdi: "Ihr werdet verstehen, dass diese Messe nicht wie eine Oper gesungen werden darf; folglich werden mich Färbungen, die im Theater gut sein können, ganz und gar nicht befriedigen." Doch da tobt sie schon, die Höllenmaschinerie, und schert sich einen Teufel um die Skrupel des Komponisten, der bei aller äußeren Dramatik doch ein Verlangen der Seele beleuchten wollte. In die Bereiche jenseits der Physik aber leuchtet die Interpretation nie hinüber. Das Leben, wie es Barenboim darstellt, besteht aus kurzen Schlägen einer höllischen Mechanik und darauf folgenden langen Phasen der Agonie. Dem lebenslänglichen Staatskapellen-Chef reicht es an diesem Abend, Herr über stürzendes Tremolieren zu sein und Schmauchspuren auf die große Trommel zu befehlen. Kalt schlägt die Rachlust des Dies irae durch den Saal, drückt Hoffen und Sehnen zu Boden und fährt auch den Solisten an die Gurgel. Die indisponierte Jane Eaglen schiebt ihr belegtes Luxusorgan vorsichtig durch die fahlen Klangwogen, Waltraud Meier arbeitet sich stoisch voran ohne nach links oder rechts zu hören, Eldar Aliev versucht einen menschlichen Tonfall zu entdecken, während Johan Botha den Eindruck erweckt, nicht zu wissen, wohin er eigentlich phrasieren soll. Ja, wohin auch, wenn sich Daniel Barenboim so standhaft weigert, den Weg zur Botschaft eines jeden Requiems zu weisen: Bedenkt, dass Ihr sterben müsst, auf dass Ihr klug werdet.

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