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Kultur: Zurück zur Kunst

Mit einem „überarbeiteten Konzept“ begegnen die Berliner Kunst-Werke der Kritik an ihrer geplanten RAF-Ausstellung

Die Berliner Kunst-Werke haben auf die anhaltende Kritik an ihrer geplanten Ausstellung zum „Mythos RAF“ mit einem „überarbeiteten Konzept“ reagiert. Wie bereits gemeldet, wurde daraufhin die für den heutigen Montag angesetzte Sondersitzung der Gemeinsamen Kommission des Hauptstadtkulturfonds abgesagt, auf der die bisherige Förderung des Ausstellungsvorhabens – zugesagt und auch bereits ausgezahlt sind 100000 Euro – „überprüft“ werden sollte. Die Absage erfolgte auf Bitten von Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die nach Protesten insbesondere von Angehörigen der RAF-Opfer von Bundeskanzler Schröder zur Prüfung des Vorgangs aufgefordert worden war. Sie ließ am Sonnabend bekräftigen, keinesfalls in die Kunstfreiheit eingreifen zu wollen. Andererseits muss sie den Druck der öffentlichen Meinung – und des in dieser Hinsicht äußerst hellhörigen Kanzlers – berücksichtigen. Noch ehe die Kunst-Werke ihrerseits der Öffentlichkeit das geänderte Konzept vorgestellt haben, signalisierten Hauptstadtkulturfonds-Kuratorin Adrienne Goehler sowie Berlins Kultursenator Thomas Flierl bereits Zustimmung. Goehler sprach von einem „Befreiungsschlag“, Flierl nannte das Konzept „fundiert“.

So viel vorauseilende Beschwichtigung macht misstrauisch. In der Berliner Kunstszene wird gemunkelt, die Änderung des Ausstellungskonzepts sei vor allem auf Drängen von Adrienne Goehler zu Stande gekommen. Der Hauptstadtkulturfonds wird sich mit dem Konzept in rechtlicher Hinsicht als neuem Förderantrag befassen – und die ursprüngliche Zusage womöglich widerrufen.

Der Kernsatz des geänderten Konzepts lautet: „Die Kunst muss bei dieser Ausstellung im Mittelpunkt stehen.“ Aufgabe sei es, dem Betrachter „einen Zugang zu den Fakten, den Ereignissen und deren Aufarbeitung, wie sie bis heute geschehen ist, mit den Mitteln einer zeitgenössischen Kunstausstellung zu ermöglichen“. Aller Unmut über die öffentliche Schelte kommt in dem Satz zum Ausdruck, die Ausstellung könne nicht leisten, „was Jahrzehnte an historischer, publizistischer, soziologischer und anderer wissenschaftlicher Arbeiten nicht geleistet haben: ein abschließendes, abrundendes Bild über einen Zeitabschnitt der bundesrepublikanischen Geschichte zu liefern.“ Daraus ziehen die Kunst-Werke den Schluss, dass die „Freiheit der Kunst auch für diese Ausstellung wieder gewonnen werden muss“.

Kunst also, nicht die nach allen Seiten abgesicherte Aufarbeitung der RAF-Geschichte soll den Inhalt der Ausstellung bilden. Über die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus meint das Konzept, „von den ersten künstlerischen Arbeiten über die RAF bis zu Auseinandersetzungen mit dem gegenwärtigen Terrorismus“ stehe „die Bild- und Zeichenproduktion, die ,Spektakularisierung’ des Terrors im Zentrum des Interesses der Künstler“. Viele Künstler reagierten „auf die massenmedial produzierten Bilder des Terrors, zitieren und sezieren deren polarisierendes, propagandistisches Material“, indem sie sie „bearbeiten und collagieren“.

Von Michael Ruetz, dem Foto-Chronisten der Studentenbewegung, spannt sich der Bogen der älteren Arbeiten über Joseph Beuys („Dürer, ich führe Baader und Ensslin über die documenta 5“, 1972) zu Volker Schlöndorffs und Margarete von Trottas Film „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1975) nach der Erzählung von Heinrich Böll. Unter den jüngeren Arbeiten ragt der Gemäldezyklus „18. Oktober 1977“ von Gerhard Richter heraus; ferner wird Andres Veiels Film „Black Box BRD“ von 2001 genannt.

Den historischen Kontext schließlich soll „ein vielfältiges, dezentral organisiertes Beiprogramm“ beisteuern, das – Absicherung rundum – „verschiedene Blickwinkel erfasst und ermöglicht“. Ob allerdings die Ausstellung der Kunst-Werke überhaupt stattfinden wird, liegt nun wieder in den Händen der Hauptstadtkulturfonds-Gremien.

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