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Kultur: Zusammenspiel der Nachbarn

Die Weltgeschichte hat Polen näher denn je an Berlin herangerückt.Der Öffnung der Grenzen stehen noch innere Barrieren gegenüber, die ebenfalls historisch begründet sind.

Die Weltgeschichte hat Polen näher denn je an Berlin herangerückt.Der Öffnung der Grenzen stehen noch innere Barrieren gegenüber, die ebenfalls historisch begründet sind.Da Musik solche Hindernisse am leichtesten überspringt, wurde die Begegnung zwischen RIAS-Jugendorchester und Sinfonietta Cracovia zum symbolischen Höhepunkt der Polnischen Woche.Mit Jerzy Maksymiuk war zudem ein charismatischer Orchesterleiter gewonnen worden, der neben Polnisch, Englisch und Deutsch auch die Körpersprache aufs Beste beherrscht.Gestik ersetzt bei ihm den Dirigentenstab.Immer wieder schüttelte Maksymiuk an diesem Abend im Kammermusiksaal die Hände - während der Musik und danach.

Deutsche profitieren heute stark von der hochrangigen Musikförderung in Osteuropa.Dies gilt besonders für das RIAS-Jugendorchester.Dessen Konzertmeister und Stimmführer, die zu Beginn Robert Schumanns Es-Dur-Klavierquintett musizierten, stammen aus Moskau, Litauen oder der ehemaligen DDR.Neben dem Cellisten Dmitri Jurowski ließ vor allem der edle Ton der Bratschistin Kirstin Maria Pientka aufhorchen.Kommunikationsprobleme zwischen Klavier und erster Violine verhinderten allerdings eine wirklich homogene Interpretation.

Die 1990 an der Musikakademie von Krakau gegründete Sinfonietta Cracovia machte mit Andrzej Panufniks Violinkonzert (1971) bessere Figur.Der in seiner Heimat lange verfemte Komponist gehört zu den großen Musikern Polens.Ähnlich wie Gorecki verwendet er einfache, teilweise plakative Mittel.Daß sein Violinkonzert nicht formelhaft, sondern organisch wirkte, war dem vitalen Dirigenten ebenso zu danken wie dem Solisten Robert Kabara.Nach der nachdenklichen Transparenz der beiden ersten Sätze endete das Werk mit kreisenden Tanzfiguren und einer stürmischen Stretta.

Wolfgang Amadeus Mozart brachte dann nach der Pause die beiden Orchester zusammen.Obwohl vor allem die Hörner noch stärker integriert werden könnten, kam es zu einer beachtlichen Gesamtleistung.Der richtige Mozart-Ton verdankte sich vor allem der Pianistin Elzbieta Karas, deren perlendes Spiel ebenso überzeugte wie in der Kadenz der Wechsel zu ausdrucksvollem Moll oder energischer Polyphonie.Ihre natürliche Musikalität inspirierte wohl auch den schönen Andante-Dialog zwischen Flöte und Fagott.

Nach diesem Triumph mit Mozart hatte der quirlige Maksymiuk zum Abschluß leichtes Spiel mit dem Konzert für Streichorchester (1948) von Grazyna Bacewicz, das er ohne jede neoklassizistische Distanz kraft- und saftvoll ausmusizieren ließ.Die vielgestaltige Rhythmik, die prägnante Motivik und die originellen Klangkombinationen zogen Musiker und Hörer in ihren Bann.Die Vitalität dieser Musik, die einen gleichberechtigten Platz neben der von Lutoslawski und Penderecki verdient, überwand auch die letzten Barrieren.

ALBRECHT DÜMLING

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