zum Hauptinhalt

Kultur: Zwei Jahre sind eine lange Zeit

HIPHOP

Als Wunderkind war Nas angetreten, damals in den frühen Neunzigern. Hatte ein erstaunliches Debüt veröffentlicht, zwei Jahre später einen Superhit nachgelegt: „If I ruled the world" unterstrich den caesaristischen Anspruch, den der junge New Yorker zurecht auf seine Zukunft erhob. In der Berliner Columbiahalle kommt Lauryn Hills Backround-Gesang vom Band, was dem Zauber, der sich bei ihrer Stimme stets einstellt, nicht schadet. Nas arbeitet sich vergebens daran ab. Sein leicht heiseres Timbre, jene verzweifelte Eleganz, die Nas früher in seinen Rap legte, ist verflogen, wie überhaupt der genialische Glanz einer stumpfen street attitude wich. Nas stellt zwei Posten auf die Bühne, die im paramilitärischen Outfit reglos die Szene observieren. Er selbst trägt schwarz und eine Goldkette um den Hals. Als sei seit 15 Jahren kein Tag verstrichen. Und wie im Pop derzeit das Retrospektive den Ton angibt, richtet auch Nas seinen Blick zurück, beschwört die old days. Natürlich pöbelt Nas gegen den Konkurrenten Jay-Z, mit dem er eine müde Fehde über die Frage austrägt, wer von beiden die dickere Hose besitzt. Nas spult ein Programm ab, streift mal hier, mal dort die eigene, stilistisch verworrene Geschichte und die des „wahren" HipHop. Aber es reimt sich nicht zusammen. Umso tragischer, da seine rhymes mal zum aufregendsten gehörten, was die Branche zu bieten hatte. Doch Nas kam Puff Daddy in die Quere. Gemeinsam verbrachen sie „Hate me now": Kitsch, Orff und falsches Pathos. „Ihr könnt mich jetzt hassen", schleudert Nas dem ergeben wogenden Publikum entgegen, „denn ich höre nicht auf, da ich nicht aufhören kann". Das ist das wahre Drama des begabten Kindes.

Tobias Rüther

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false