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Kultur: Zwei Minuten mit ... einer Sexszene

In den Kritiken wird selten auf die Sexszenen eingegangen. Harald Martenstein holt es nach.

Wenn ich von der Annahme ausgehe, dass etwa jeder zweite Kinofilm in seiner Handlung mindestens einen Geschlechtsverkehr enthält, eine, glaube ich, realistische Annahme, und dass ich pro Jahr, im Durchschnitt, einhundert Filme sehe, als Filmredakteur waren es deutlich mehr, jetzt sind es weniger, dann ergibt dies, grob geschätzt, ungefähr 2000 Sexualakte, davon etwa 1950 heterosexuell und etwa 50 homosexuell, so wenig, weil das bis vor ein paar Jahren tabu war und weil ich nicht so oft ins „Panorama“ gehe.

Seit ein paar Jahren zeigen sie im Kino manchmal alles, aber nicht in sehr vielen Filmen. Ich schätze also, ich habe im Kino 20 vollständig vollzogene Sexualakte und 1980 mehr oder weniger stilisierte oder angedeutete gesehen. Die indischen Filme, in denen sie immer tanzen, um Sex auszudrücken, zähle ich nicht mit. Ich habe sodann die Statistik verfeinert und habe ausgerechnet, dass ich etwa 1200 nackte Schauspielerinnen gesehen habe und etwa 400 nackte Schauspieler, wobei die Männer in den letzten Jahren aufholen, und etwa 50 Mal Sex im Wasser, meistens in nächtlichen Hallenbädern, was vermutlich wegen des schönen blauen Lichtes besonders beliebt ist. Bei dieser Berlinale kommt Sex im nächtlichen Hallenbad in „Cherrybomb“ vor, in der Jugendreihe „14plus“.

In den Kritiken wird selten auf die Sexszenen eingegangen. Dabei kann man die Qualität eines Films eigentlich immer an genau dieser Szene erkennen. Mir kommt es so vor, es sei Clint Eastwood, zum Beispiel in „Die Brücken am Fluß“ oder „In the Line of Fire“, auch in dieser Hinsicht einer der besten Regisseure zurzeit. Die beste Sexszene dieses Festivals aber scheint mir immer noch von Kate Winslet und David Kross zu stammen, sie ist relativ freizügig, in „Der Vorleser“. In „The Messenger“ gibt es eine Szene von etwa zwei Minuten, in der man hört, wie der Schauspieler Woody Harrelson im Nebenzimmer etwas Derartiges tut. Dass man es nur hört, dabei aber eine Menge über den Charakter der Figur erfährt, fand ich originell. Ein guter Film.

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