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Kultur: Zwei Neueinspielungen mit dem Sänger-Traumpaar Alagna/Gheorghiu

Hören wir hier mal ganz genau zu: Deutet in den beiden Neuaufnahmen irgendetwas darauf hin, dass die Sänger, die da aus den Boxen schluchzen, auch privat vereint sind? Dass die glückliche, mit kilometerlangen Illu-Fotoserien dokumentierte Ehe des Operntraumpaares Roberto Alagna / Angela Gheorghiu ihren Niederschlag in bislang unerreichter künstlerischer Harmonie findet?

Hören wir hier mal ganz genau zu: Deutet in den beiden Neuaufnahmen irgendetwas darauf hin, dass die Sänger, die da aus den Boxen schluchzen, auch privat vereint sind? Dass die glückliche, mit kilometerlangen Illu-Fotoserien dokumentierte Ehe des Operntraumpaares Roberto Alagna / Angela Gheorghiu ihren Niederschlag in bislang unerreichter künstlerischer Harmonie findet?

Hochgespannt werfen wir die erste CD der neuen "Bohème" in den Player und tracken uns genau am Weihnachtsabend ein: in dem Moment, in dem das frisch gebackene Bühnenverhältnis Rodolfo-Mimi beschließt, den vorausgeeilten Freunden ins Künstlercafé Momus nachzueilen. Das beginnt vielversprechend mit den leidenschaftlichen Schwärmereien des jungen Dichters, der hier durch sein Temperament die schüchterne junge Stickerin mitreißen soll. Die singt allerdings nicht gerade wie ein Arbeitermädchen - statt Sex-Appeal à la Anna Moffo oder naivem Charme à la Mirella Freni bleibt die Mimi der Gheorghiu mit ihren bloß schönen edelsamtigen Tönen eine Kunstfigur. Na, das wird schon noch, hoffen wir. Und versuchen es im dritten Akt (zwei Monate später). Da zieht Mimi eigentlich einen Schluss-Strich unter die Beziehung mit ihrem Rodolfo; doch nachdem sich beide an die gemeinsame Vergangenheit erinnert haben, besinnen sie sich noch einmal anders. Alagna / Gheorghiu singen das genau so nett wie ihren Flirt im ersten Akt - passiert ist hier in der Zwischenzeit offenbar gar nichts. Kein Grund also, statt der Karajan- und Toscanini-"Bohèmes" ausgerechnet diese zu kaufen.

Und der "Werther" aus der Werkstatt dieses Traumpaares? Massenets Goethe-Oper kann einen sentimentaleren Tonfall gut vertragen. Was ist der Werther anders als ein überspannter Hysteriker, der seine Umwelt nervt? Schon bei seinem ersten Auftritt rezitiert er ein Gedicht - Roberto Alagna nimmt das ganz ernst und singt diese Hymne an die Natur genau so geradlinig wie zuvor Rodolfos realistisch plaudernde Arie im ersten "Bohème"-Akt. Am Charakter der Figur geht das genau so vorbei wie Gheorghius Charlotte, die hier wiederum nur schön singt, statt Charakter zu zeigen. Dass Werther im Grunde nur ein großer Junge ist, der auf die mütterliche Charlotte anspricht, haben etliche andere Aufnahmen spannender gezeigt.

Was lernen wir draus? Dass das Unter-den-Teppich-Kehren von Konflikten noch keine Harmonie erzeugt? Oder dass Ehepartner verschieden sind? Auf jeden Fall nichts, wozu man sich eine ganze Oper anhören müsste.Massenet: Werther. London Symphony Orchestra, Pappano. EMI 5 56820 2 (2CDs). Puccini: La Bohème. Scala-Orchester, Chailly. Decca 466 070 2 (2 CDs).

Jörg Königsdorf

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