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Zwischen den SPIELEN (1): Das Intermezzo

Zwischen den Spielen ist Pause. Ruhe auf dem Platz, die Ränge leer, der Vorhang geschlossen.

Zwischen den Spielen ist Pause. Ruhe auf dem Platz, die Ränge leer, der Vorhang geschlossen. Manche geh’n nach Hause, manche trinken Brause, das ist der Zweck der Pause, reimte der große Georg Kreisler. Er wusste: Es ist nicht einfach, sich die Zeit bis zur nächsten Runde zu vertreiben. Ruhe ist nämlich arg leise und Leere allemal langweilig. Also muss etwas geschehen, etwas Heiteres, Luftiges, Leichtes. Das Spiel selber ist schließlich dramatisch genug. Im antiken Theater machten sie Faxen zwischen den Akten, in der Oper spielten die Musikanten oder die Schauspieler auf oder die Tänzer drehten Pirouetten, damit die Sänger ihre Stimmen schonen konnten.

Und hinter den Kulissen? Im Sport trainieren sie dann bekanntlich, lassen sich dopen oder bekommen vom Trainer die Leviten gelesen. Im Konzert und im Theater treiben sie sich in der Garderobe herum, dösen, repetieren, empfangen Verehrer. In der Musik geschehen ausgerechnet im Zwischenspiel oft die raffiniertesten Dinge, die Töne legen die Fesseln der Harmonie ab. In der Kirche darf der Organist beim Interludium zwischen den Chorälen improvisieren. Bei Brahms, Schumann und Reger ist das Intermezzo sogar so frech, sich komplett von seinem Zwischendasein zu emanzipieren und für sich allein dazustehen. Wie der Zwischenraum vom Lattenzaun im Morgenstern-Gedicht.

Zwischen den Spielen schlägt die Stunde der Freiheit. Bühne frei für die Clowns, die Pantomimen, Buffonisten und Outlaws. Eine Welt ohne Gesetze tut sich auf, die aus der Zeit gefallene Zeit. „Entr’acte“ heißt René Clairs Stummfilm mit Musik von Erik Satie, der in den Zwanzigerjahren zwischen den Akten des Balletts „Relache“ gezeigt wurde. Darin hopsen ausgewachsene Männer um eine kreiselnde Kanone herum und ganz Paris steht auf dem Kopf. Rieseneier tanzen auf Wasserfontänen, ein Kamel führt eine hüpfende Trauergemeinde an, ein Sarg fährt Achterbahn, ein Toter wird zum Leben erweckt und zaubert die Hinterbliebenen weg.

Im Spiel macht der Mensch Pause von den Plagen des Erdendaseins – und ist danach umso fitter für den Wettstreit der Tüchtigen. Im Zwischenspiel wird er zum Totalverweigerer und dreht dem Überlebenskampfesgeist eine lange Nase. Kein Wunder, dass sogar der Tod sich da mal eine Auszeit nimmt. Christiane Peitz

Als Nächstes: das Vorspiel

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