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Brandenburg: Kurt Schelter: Gefährliche Gefälligkeit

"Von einem Skandal, einem Fall Schelter kann überhaupt keine Rede sein", poltert Jörg Schönbohm. Brandenburgs Innenminister und CDU-Landeschef, will zunächst gar nicht antworten, als er nach den Konsequenzen der Justiz-Affäre gefragt wird.

"Von einem Skandal, einem Fall Schelter kann überhaupt keine Rede sein", poltert Jörg Schönbohm. Brandenburgs Innenminister und CDU-Landeschef, will zunächst gar nicht antworten, als er nach den Konsequenzen der Justiz-Affäre gefragt wird. Aber dann es bricht es doch aus ihm heraus: Der Umgang mit Kurt Schelter sei "nicht angemessen". Dass nun auch der SPD-Koalitionspartner "Angriffe" gegen den Justizminister starte, obwohl sich Schelter und der Richterbund versöhnt hätten, sei empörend - "gemessen daran, was bei den Anderen herumliegt". Ein Drohung an die Adresse des Koalitionspartners, dass man auch "Leichen" aus den Kellern der SPD holen könne?

Der aufgebrachte Schönbohm verliert allerdings kein Wort über seinen Anteil an der CDU-"Alarmkette", die zur umstrittenen Einflussnahme von Schelters Büro auf eine Neuruppiner Richterin führte. Er gab dem Berliner Parteifreund und Rechtsanwalt Lutz von Pufendorf, der einen Mandanten aus der Haft holen wollte, die Privatnummer Schelters. Als "zumindest ungewöhnlich" empfand das der brandenburgische Richterbund, der den Fall öffentlich machte. Die Nerven liegen blank bei den märkischen Christdemokraten: Kaum zwei Wochen nach dem Rücktritt von CDU-Kulturminister Wolfgang Hackel beginnt nun auch der Stuhl des als selbstherrlich geltenden Justizministers zu wackeln. Unter der Richterschaft brodelt es, das Wort von "Amigo-Methoden" geht um.

Im Umfeld Stolpes will man sich offiziell nicht äußern. Aber es ist auffällig, dass sich der Regierungschef nicht demonstrativ hinter Schelter stellt. Inoffiziell heißt es in der Staatskanzlei, die Vorwürfe und auch ihre Folgen würden "als ernst angesehen". Denn auch am fünften Tag der Affäre - während Schelter vor dem Bundessozialgericht in Kassel einen Vortrag hält - überschlagen sich in Potsdam die Ereignisse. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ) zerpflückt in einer Pressemitteilung mit bohrenden Fragen die Verteidigungsstrategie Schelters, dass es bei der Intervention seines Büroleiters nur darum gegangen sei, am Wochenende einen Richter zur Überprüfung einer Haftangelegenheit zu finden: Die SPD-Juristen halten entgegen, dass der aufgrund mehrerer Gerichtsurteile inhaftierte Schuldner sofort entlassen worden wäre, wenn er die verlangte eidestaatliche Erklärung über seine Vermögensverhältnisse unterschrieben hätte. "Ist dem Minister bewusst, dass er durch seinen Eingriffsversuch in die Anspruchslage der Gläubiger eingegriffen hat?" Vieles spreche dafür, dass über "Beziehungen unter Parteifreunden" eine Richterin dazu gebracht werden sollte, einen Fall zu entscheiden, der für sie nicht zur Entscheidung anstand.

Das Fazit der ASJ: Parlament und Landesregierung müssten sorgfältig prüfen, "ob der Minister unter diesen Umständen weiterhin für das Amt geeignet ist". Auch der BerlinBrandenburger Landesverband der "Neuen Richtervereinigung" attackiert den Eingriff des Schelter-Ministeriums in die richterliche Unabhängigkeit. "Die nachträglichen Beschönigungsversuche von Herrn Schelter vermögen an der Bewertung nichts zu ändern." Vielmehr zeigten sie, dass Schelter "auch nicht ansatzweise das sensible, von der Verfassung geschützte Institut der Unabhängigkeit der Justiz geläufig ist." Schelter war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In Koalitionskreisen wird ein Rücktritt Schelters nicht mehr ausgeschlossen, wenn die öffentliche Kritik anhalte und Schelter am Donnerstag im Rechtsausschuss seine Vorgehensweise nicht plausibel erklären könne.

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