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Brandenburg: Langer Prozess

Am Dienstag beginnt das Verfahren gegen acht Anführer der XY-Bande Am Landgericht Neuruppin werden mehr als 100 Verhandlungstage erwartet

Neuruppin - Der am Dienstag vor dem Neuruppiner Landgericht beginnende Prozess gegen die XY-Bande sprengt alle bisher in der Brandenburger Justizgeschichte bekannten Dimensionen. Noch nie gab es gleichzeitig acht Angeklagte, die von jeweils mindestens zwei Verteidigern vertreten werden. 157 Zeugen sind geladen worden, so dass mit mehr als 100 Verhandlungstagen gerechnet wird.

Die Verfahrensakte füllt zehn dicke Leitz-Ordner, dazu kommen 69 Ordner für weitere Unterlagen. Medien aus der ganzen Bundesrepublik und auch aus dem Ausland wollen vom Prozess berichten – doch der Platz im Gerichtssaal reicht längst nicht für alle Journalisten aus. Außerdem herrscht vor dem und im Gerichtsgebäude höchste Sicherheitsstufe. Denn zum ersten Mal in Brandenburg steht eine nach dem Vorbild der Mafia organisierte kriminelle Vereinigung vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft wirft der so genannten XY-Bande unter anderem unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln vor, außerdem illegales Glücksspiel, Bestechung, räuberische Erpressung mit Körperverletzung, Verstöße gegen das Waffengesetz und die Bildung eines Bordells, in dem osteuropäische Prostituierte unter Verstoß gegen das Ausländergesetz gearbeitet haben sollen. Den bisherigen Ermittlungen zufolge hat das Treiben der sieben angeklagten Männer und einer Frau im Alter zwischen heute 30 und 43 Jahren schon im Jahre 1994 begonnen.

Aber erst bei einer Razzia im August vergangenen Jahres wurden die mutmaßlichen Drahtzieher festgenommen. Sie sitzen heute in den Justizvollzugsanstalten Brandenburg/Havel, Frankfurt (Oder) und Neuruppin-Wulkow. Insgesamt richteten sich die Ermittlungen des Landeskriminalamtes gegen rund 100 Verdächtige.

Als äußeres Zeichen ihres Zusammenhaltes gaben sich die Mitglieder der Bande die Buchstabenkombination „OPR - XY“ (OPR steht für Ostprigniz-Ruppin) auf den Kennzeichen ihrer überwiegend noblen Autos. Selbstbewusst traten sie in der Öffentlichkeit auf und tarnten ihre Machenschaften nicht selten durch das Engagement für Jugend- und Sozialprojekte.

Die vier Bosse ließen sich nach dem Muster der Mafia auch Siegelringe anfertigen, um ihre „auf ewig andauernde Freundschaft“ zu bekunden. In den Ringen waren vier Namen eingraviert – der des Geschäftsmannes und CDU-Stadtverordneten Olaf K. (36 Jahre), der Kaufmänner Jürgen D. (37) und Carsten O. (35) sowie des Gastwirts Frank G. (38). Vor allem Olaf K. soll die entscheidenden Fäden gezogen haben. Er leitete im Stadtparlament den Finanzausschuss und erhielt so alle Informationen über die Immobilienwirtschaft der Stadt. Mehrere Prozesse gegen einzelne Mitglieder der XY-Bande gaben bereits Einblicke in das Vorgehen der Angeklagten. So räumte eine Mitarbeiterin des städtischen Gewerbeamtes ein, von Olaf K. 3400 Euro Schmiergeld angenommen zu haben. Dafür drückte sie beide Auge zu, wenn die Automaten im Spielsalon des Rädelsführers über die Sperrzeit hinaus liefen oder die Spielothek ganz ohne Konzession betrieben wurde. Beim vorjährigen Mai- und Hafenfest schenkte Olaf K. illegal Bier aus. Bei der Kontrolle zog er eine rechtswidrige Ausnahmegenehmigung, erteilt durch dieselbe Mitarbeiterin des Gewerbeamtes, aus der Tasche. Die Frau ist nach ihrer Verurteilung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe inzwischen entlassen worden.

Olaf. K. stürzte auch die CDU in Neuruppin in eine tiefe Krise. Sie ist heute heftig zerstritten und trat zur Bürgermeisterwahl im Februar nicht einmal mit einem Kandidaten an. Die PDS wiederum büßte bei der Wahl ihre zehnjährige Vorherrschaft in Neuruppin ein. Otto Theel war kurz zuvor vom Stuhl des Bürgermeisters auf die Fraktionsbank der PDS im Landtag gewechselt. Er hatte nach eigener Aussage nichts von den Machenschaften der Bande bemerkt.

Die Wähler entschieden sich für einen Kandidaten abseits der bekannten Parteien: Der Hotelier Jens-Peter Golde hat die Bekämpfung der Korruption zu einem seiner wichtigsten Ziele erklärt.

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