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Langer Schatten der Stasi: Erneut werden Ex-Spitzel zum Problem der Landesregierung

Es ist eine Ironie der Geschichte. Ausgerechnet in Brandenburg, wegen seiner laxen Praxis mit dem Stasi-Erbe lange in der Kritik, stößt die Stasi-Beauftragte Ulrike Poppe auf einen Spitzel, der zu DDR-Zeiten auf sie angesetzt war.

Potsdam - „Ich wusste damals schon, dass es ein Romeo war“, sagt sie. Gemeint ist Harald Holland-Nell (53), früher Mitarbeiter, Geschäftsführer und heute Rechtsberater der einst landeseigenen Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG). Deren Privatisierung und Verkaufspraxis von Immobilien beschäftigen derzeit den Untersuchungsausschuss des Landtags, der auch die Rolle von Ex-Minister Rainer Speer (SPD) prüft.

Als wären die Vorwürfe nicht genug, wonach bei den Geschäften dem Land ein Schaden entstanden sei, wird nun ein anderer Verdacht laut: Dass sich alte Stasi- Seilschaften Landeseigentum zuschanzt haben könnten, was die Opposition glaubt. Rechtsanwalt Harald Holland- Nell gab bereits zu, für die Staatssicherheit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) gearbeitet zu haben, Deckname „Fabian“. Dessen Stasi-Akte samt Verpflichtungserklärung liegen dem Tagesspiegel vor. Er war auf Anfrage nicht zu erreichen.

Die Stasi setzte den damaligen Richter am Ost-Berliner Stadtgericht im Jahr 1987 auf die Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe an, die heute sagt: „Er war einer von 80 Spitzeln, ich hatte den Namen schon vergessen. Wir waren mal in der Oper.“ Poppe stand als Mitglied einer der aktivsten Oppositionsgruppen unter Dauerbeobachtung. Aufmerksam wurde die Stasi auf Holland-Nell im Oktober 1986 bei einer Veranstaltung zu Bürgerrechten in der DDR, auch Poppe war dort. Am Abend, so steht es in der Akte von IM „Fabian“, traf er Poppe in einer Gaststätte. Fortan war der Richter für die Stasi eine interessante „Kontaktperson“. Er sollte in „Maßnahmen zur Zersetzung und Destabilisierung der Ehe“ der Bürgerrechtlerin „sowie zu ihrer weiteren politischen Neutralisierung einbezogen“ werden. IM „Fabian“ sollte Poppe für sich gewinnen, „zielgerichtet ein intimes Verhältnis“ zu ihr aufbauen, sie „mit den angenehmen Seiten des Lebens“ und den „Errungenschaften“ des Sozialismus vertraut machen. Viele Treffen sind in der Akte nicht belegt. Im November 1989 stellte die Stasi die Zusammenarbeit ein, wegen privater Probleme des IM „konnte die geplante Einsatzrichtung“ nicht realisiert werden.

Der zweite mutmaßliche Stasi-Fall dreht sich um Frank Marczinek, 49 Jahre alt, CDU-Mitglied, eine schillernde Figur, die sich gern mit Größen aus Wirtschaft, Sport und Politik sehen ließ und enger Freund von Ex-Minister Speer ist. In der ersten frei gewählten DDR-Regierung war er Staatssekretär von Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (CDU), legte eine steile Karriere in der Wirtschaft hin, kam bei Thyssen und Vattenfall unter. Er führte deren gemeinsame Tochter TVF Altwert GmbH, eine Firma für Abbruch und Recycling, und übernahm sie später ganz. Die Firma machte Geschäfte mit der Bodengesellschaft, dann kaufte Marczinek die damals landeseigene Firma. Nach Sichtung von acht Personalkarteikarten hat sich die Stasi-Unterlagenbehörde festgelegt: Marczinek war von 1985 bis zur Wende Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IMS) des DDR-Geheimdienstes, Deckname „Frank Wulff“. Als NVA-Offizier soll er Soldaten bespitzelt haben. Die Stasi setzte den IMS auf einen Soldaten an, der Pläne für Republik- und Fahnenflucht gehegt haben soll. Marczinek alias Wulff soll „konspirativ einen Brief des Soldaten beschafft“ haben, wie aus einer Opferakte hervorgeht. Eine Verpflichtungserklärung gibt es nicht, Marcineks Stasi-Akte wurde im November 1989 vernichtet. Alexander Fröhlich

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