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Brandenburg: Lausitzring: Die große Euphorie ist vorbei

Die Chefin des Senftenberger Hotels "Am Damm" macht um den nahen Lausitzring nicht viele Worte. "Er hat uns im vergangenen Jahr gerettet", sagt Karin Ambrosius.

Die Chefin des Senftenberger Hotels "Am Damm" macht um den nahen Lausitzring nicht viele Worte. "Er hat uns im vergangenen Jahr gerettet", sagt Karin Ambrosius. "Ohne ihn hätten wir Konkurs anmelden müssen." Ihr Haus habe zwar nur 25 Zimmer, aber auch die müssten schließlich "verkauft" werden. Da Touristen und Geschäftsleute als Übernachtungsgäste in dieser Gegend nicht ausreichten, spielten die Gäste der neuen Rennstrecke nun eine ganz besondere Rolle. "Wir müssen unser Haus ins Gespräch bringen. Bei Firmen, Vereinen oder kleinen Reise-Unternehmen." Von allein laufe nichts.

Hat der im August vergangenen Jahres eröffnete Lausitzring also die Erwartungen erfüllt? Immerhin 241 der 310 Millionen Mark Gesamtkosten steuerte Brandenburg aus Steuermitteln bei. Regierungschef Manfred Stolpe verteidigte die beispiellose Ausgabe stets mit einem Pauschalargument: Die Lausitz brauche die Rennstrecke auf dem Weg zur Modernisierung. Nach dem Ende der meisten Braunkohle-Tagebaue verschaffe das Projekt der Region ein völlig neues Gesicht. Aufschwung, Arbeit und Wohlstand hatte Stolpe versprochen. Die Menschen in der Gegend um Senftenberg vertrauten ihm. Bei einer Arbeitslosenquote von 25 Prozent war die Zustimmung für den gigantischen Bau in einer früheren Kohlegrube natürlich riesengroß.

Frank Bornschein, Chef des Senftenberger Gewerbeverein, kratzt sich auf die Frage nach der heutigen Stimmung in der Region nachdenklich am Kopf. "Die Rennstrecke ist okay. Da gibt es keinen Zweifel", sagt der Einzelhändler. "Aber sie ist kein Allheilmittel für unsere Probleme." Nur Phantasten hätten in der Euphorie des Baubeginns an Hunderte oder gar Tausende Arbeitsplätze geglaubt. Vielleicht brächten das geplante Testzentrum und ein ganzjährig geöffneter Freizeitpark mehr Jobs, sinniert Bornschein.

Bisher sichert die Rennstrecke lediglich 41 feste Arbeitsplätze in der Betreibergesellschaft. An den Rennwochenenden kommen zwar einige Hundert Zeitverträge dazu, aber den örtlichen Gewerbetreibenden reicht das Programm auf der schnellen Piste nicht aus. "Drei bis vier nennenswerte Veranstaltungen pro Jahr sind zu wenig", kritisiert Buchhändler Axel Schmidt aus Senftenberg. Auf so einer tollen Anlage müsse einfach mehr passieren. Dann würden sich auch die Hoteliers und Händler der Umgebung mehr bewegen. "Die Chancen der großen Rennen liegen auf der Hand", sagt Schmidt. "Nur dürfen Besucher beim Ausflug nach Senftenberg keine hochgeklappten Bürgersteige vorfinden. Da müssen auch Feste steigen."

Doch beide Geschäftsleute würden potenziellen Hotelinvestoren derzeit von einem Engagement in der Umgebung des Rings abraten. "Es wäre doch nur wenige Male voll, wenn wirklich mal hochkarätige Rennen auswärtige Besucher anziehen", glaubt Bornschein. Für die normalen Veranstaltungen reichten die rund 120 Hotelbetten in Senftenberg und die Häuser im benachbarten Schwarzheide.

Ausgerechnet das Hotel-Thema erhitzt jedoch die Gemüter in Südbrandenburg. Die Regionalzeitung "Lausitzer Rundschau" erklärte den Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, Hans-Jörg Fischer, kürzlich sogar zum "Buhmann der Region". Er habe schon bei der später teilweise zurückgenommenen Umbenennung des Lausitzringes in Eurospeedway wenig Engagement für die Interessen der Region erkennen lassen. Durch die Stornierung der Hotelbetten in Cottbus und die Entscheidung zugunsten von Dresden für die große Champcarserie Mitte September habe Fischer dann klar auf Konfrontation gesetzt. Von Partnerschaft könne keine Rede mehr sein.

Der aus Heilbronn stammende Fischer rechnete offensichtlich nicht mit der gerade im Osten verbreiteten Kleinstaaterei und dem augenfälligen Provinzialismus. Denn wenn Brandenburg schon die Fördermittel für den Bau vorstreckt, dann soll Südbrandenburg schließlich auch den Vorteil haben. So formulierte es der Cottbuser Wirtschaftsdezernent Markus Derling. Der Direktor des Hotels Holiday-Inn, Rainer Werdel, stellt gar den Sinn der Subventionen in Frage. Es könne nicht sein, dass Sachsen jetzt von der ganzen Wertschöpfung profitiere. Der CDU-Abgeordnete Uwe Bartsch fragte im Landtag sogar, ob die Rennleitung künftig Unterstützung direkt beim sächsischen Wirtschaftsministerium beantragen sollte.

Der angegriffene Fischer verteidigt die Wahl von Dresden. "Wir erwarten zur Europapremiere der Champcarserie 31 Teams mit jeweils rund 100 Mitgliedern und Sponsoren. So viele Hotelbetten besitzt Cottbus gar nicht", rechnet Fischer. "Abends wollen sich die Teilnehmer treffen, so dass wir die Rennfamilie gar nicht auseinander reißen können." Außerdem sei das Flair des 130 000 Einwohner zählenden Cottbus nicht mit dem der Kulturstadt Dresden zu vergleichen. "Die Elbestadt ist außerdem über die Autobahn in 30 Minuten erreichbar, nach Cottbus braucht der Autofahrer über enge Straßen nicht selten die dreifache Zeit", sagt Fischer. Für ihn zähle nur die Zufriedenheit der Kunden. Denn die sollen auch in Zukunft zum Lausitzring kommen. Der Erfolg im September sei nicht zuletzt wichtig für die Formel 1. "Ich träume jede Nacht davon, das Top-Rennen zu uns zu holen."

Den Vorwurf, auf der Rennstrecke fänden zu wenig Veranstaltungen statt, weist der Geschäftsführer zurück. "Wir können als Neuling in der Branche nicht von null auf hundert starten." In dieser Saison werde die Strecke in den unterschiedlichen Disziplinen getestet. Bei einem Erfolg kämen die Veranstalter immer wieder. "In fünf Jahren", sagt Fischer stolz, "will der Ring die Nummer eins in Europa sein." Bis dahin müsse auch die Infrastruktur in der Umgebung endlich stimmen.

"Wir müssen uns wohl noch eine ganze Zeit in Geduld üben", meint Gewerbevereinschef Frank Bornschein. Und gibt sich skeptisch: "Vom großen Job-Wunder kann noch keine Rede sein."

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