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Brandenburg: Lehrer und Verklärer

Brandenburgs Schüler wissen wenig über die DDR. Das liegt auch an ihren Eltern, sagen Politiker

Berlin/Potsdam - Man dürfe der Schule nicht zu große Vorwürfe machen, sagt die Brandenburger Bildungspolitikerin Klara Geywitz (SPD). Denn das meiste, was Kinder und Jugendliche in Brandenburg heute über die DDR hörten, habe mit den privaten Erinnerungen ihrer Eltern und Großeltern zu tun. Sie handelten von Sicherheit, Freizeit, der Abwesenheit von materiellen Sorgen. Private DDR-Erinnerungen seien oft „eher positiv besetzt“. Zu 80 Prozent erführen Schüler von ihren Eltern DDR-Historie als „Alltagsgeschichte“. Allenfalls 20 Prozent der Gespräche handelten von „Reflexion über das politische System“.

So wäre zu erklären, warum viele Brandenburger Schüler wenig über die Härten des SED-Staats wissen. Eine jetzt vorliegende Studie, die in Teilen seit Monaten diskutiert wird, zeigt – wie berichtet –, dass sogar bayerische Schüler über die DDR mehr wissen als ostdeutsche Jugendliche. Gerade die Hälfte der befragten ostdeutschen Jugendlichen teilt die Einschätzung, dass der SED-Staat eine Diktatur gewesen sei, während zwei Drittel der befragten Jugendlichen in Westdeutschland dieser These zustimmen. An Berliner Schulen war die verklärte Sicht auf die DDR ebenfalls weitverbreitet.

Im Brandenburger Bildungsministerium heißt es, es sei ein „mühseliger Weg“, dies zu ändern. Sicher sei „nicht zufriedenstellend“, was bei den Jugendlichen an DDR-Darstellung ankommt, doch sei ein zutreffendes Bild des SED- Staates auch „schwieriger zu vermitteln“ als etwa in Bayern, sagt Stephan Breiding, der Sprecher des Bildungsministeriums. Neben der Schule prägten eben auch die Elternhäuser das Denken der Schüler – und die hörten eben öfter den Satz „Uns ging es ja nicht immer schlecht“. Brandenburg, sagt Breiding, sei jedenfalls das erste Bundesland, das ein Konzept zur Vermittlung des Unterrichtsstoffs „DDR“ beschlossen habe. Dazu gehörten Rahmenlehrpläne und die Zusammenarbeit mit Gedenkstätten, etwa der in Hohenschönhausen mit dem Stasigefängnis oder der Potsdamer Lindenstraße, wo ebenfalls die Stasi saß. Vorgesehen seien auch Gespräche mit ehemaligen Oppositionellen, sagt Breiding. Doch bringe es nichts, die Auseinandersetzung mit der DDR zu erzwingen, wenn Schüler zu Hause anderes vermittelt bekommen.

Freya Klier sieht das etwas anders. Die Autorin und Filmemacherin ist viel in den ostdeutschen Bundesländern unterwegs und hat eine etwas andere These zur milden Betrachtungsweise der DDR. Noch in den 80er Jahren sei eine ganze Generation von Lehrern aus „politisch zuverlässigen Familien“ eingestellt worden, sagt Klier. Und diese machten noch heute eine große Gruppe des ostdeutschen Lehrerpersonals aus. Die Folgen einer Bildungspolitik, die mit solchen Lehrern nach der Wende weitergemacht habe, zeigten sich heute – in Brandenburg, aber nicht nur dort.

Weil es mit den DDR-Kenntnissen von Berliner Schülern nicht wesentlich besser aussieht, sollten sich Schüler in allen Stufen „verbindlich“ mit der Geschichte des selbst erklärten Arbeiter- und Bauernstaates befassen müssen. Das sieht ein Antrag vor, den die Bildungspolitiker der Berliner CDU-Fraktion ins Abgeordnetenhaus eingebracht haben. Demnach soll die DDR im Rahmenplan dadurch behandelt werden, dass Schüler authentische Orte der Unterdrückung besuchen. Die Autorin Freya Klier hat auch die Erfahrung gemacht, dass es Jugendliche beeindrucke, wenn man positive DDR-Vorurteile wie die nicht vorhandene Arbeitslosigkeit hinterfragt: ineffiziente Arbeitsorganisation, dreieinhalb Millionen potenzielle Arbeitskräfte, die das Land aber als Flüchtlinge verließen, ein Staat, der jedem seine Ausbildung vorschrieb – da dächten dann doch viele noch einmal nach.

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