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Brandenburg: Liebeserklärung auf 35 Millimeter

Von Moritz Schuller Potsdam. Von Volker Koepp kennt man nur die Stimme.

Von Moritz Schuller

Potsdam. Von Volker Koepp kennt man nur die Stimme. Eine Stimme, die aus dem Hintergrund ruhig, fast gleichmütig Elspeth aus Brandenburg nach ihrem Leben befragt hat, oder Herrn Zwilling aus Czernowitz in der Bukowina. Nun sitzt er vor dem Cafe, der Tag ist überraschend warm geworden, und Koepp, der sich von den vielen freien Tischen den hintersten ausgesucht hat, als wolle er aus dem Bild verschwinden, trägt ein schwarzes Leinenjacket. Er klappt das Buch zusammen, steht langsam auf und hebt dabei mit seinen kleinen, dicken Händen die Sonnengläser von der Brille.

Seit vielen Jahren dreht der 1944 in Stettin geborene Koepp Dokumentarfilme. Jetzt kommt sein Film „Uckermark“ in die Kinos, jene „Filmballade über die Mark Brandenburg“ wie ihn eine Kritikerin nannte, die bereits auf der Berlinale das Publikum begeisterte. „Mit dem Film bin ich in mein Kernland zurückgekehrt“, sagt er. Es reicht eigentlich, habe er oft gedacht, gelandet ist er dann doch immer wieder in der Mark.

Anfang der 70er Jahre, Koepp hatte gerade seinen Abschluss an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg gemacht, fing er in Wittstock an. „Ich habe das dann unbewusst zum Programm gemacht und bin meistens in die Mark Brandenburg gefahren.“ Volker Koepp hat die Geschichte dieses Landstrichs über Jahre dokumentiert: „Am Fluss“, „Tag für Tag“, „Haus und Hof“ sind die lakonischen Filmtitel aus jener Zeit, zwischendurch hat er immer wieder in Wittstock gedreht. In den Wendejahren beendet Koepp gerade seine Märkische Trilogie, bevor er sich weiter nach Osten aufmacht, nach Czernowitz und zur Kurischen Nehrung.

Seit DEFA-Tagen dreht er auf 35 Millimeter, ein teures und prächtiges Format, für einen Dokumentarfilmer ungewöhnlich. „Das bewahrt einen vor einer gewissen Geschwätzigkeit“, sagt Koepp. Aufwendige Schnitte, Zeitsprünge, all das gibt es bei ihm nicht. Er erzählt seine Filme über Menschen, jene besonderen Koepp-Menschen, die nur er zu finden vermag. Oft, sagt er, ist es einfach der Zufall. „Manchmal trifft man die richtigen, bloß weil man zu früh oder zu spät gekommen ist.“ Für „Uckermark“ hatte er sich mit seinem Kameramann Thomas Plenert von Osten in Richtung Gerswalde und Templin aufgemacht, von einem Freilichtmuseum in Pinnow aus. Stumm blicken dort die ehemaligen Arbeiter, die lediglich die „Strukturanpassungsmaßnahme“ vor der Arbeitslosigkeit bewahrt, in Koepps Kamera. Ein melancholisches Bild – diese Männergesichter. „Das Hauptproblem ist der Verlust von Arbeit. Dass die Leute vereinzeln und nicht mehr richtig miteinander reden.“ Doch für Koepp reden sie noch einmal, auch die beiden Bauern, die auf der Bank sitzen und meckern und lachen. Und schließlich erzählen, dass der LPG-Chef sich nach der Wende mit allen Kühen aus dem Staub gemacht habe. Woher sollten wir denn wissen, was Insolvenz bedeutet, fragt einer hilflos in die Kamera.

In Koepps Filmen treten keine Bösewichter auf. Nicht, weil er durch die offiziellen Abnahmen, die seine Filme in der DDR immer durchlaufen mussten, die Lust am Konflikt verloren hätte. Er will niemanden vorführen. „Ich drehe nie mit Leuten“, sagt er, „die ich nicht leiden kann“. Auch die „Uckermark“ bevölkern Menschen, denen er nichts Böses will: die zurückgekehrten Adligen, die zurückgelassenen Bauern, die arbeitslosen Hobby-Archäologinnen. Koepp zeigt das Versöhnliche, er schreckt vor dem, was anrührt, nicht zurück. Doch er denkt es sich nie aus: das Kaffeekränzchen der Gräfin mit dem ehemaligen Zimmermädchen und dem Koch hätte auch ohne Koepps Kamera stattgefunden. Er war nur dabei.

Dass er den Arnims und den Hahns, den sympathischen Rückkehrern voller Tatendrang, in „Uckermark“ so viel Platz einräumt, haben ihm einige vorgeworfen. Koepp legt den Kopf in die kleine Hand. „Wenn es niemanden gibt, den etwas stört, dann hat man seine Arbeit nicht gemacht.“ Vorher hatte er erzählt, wie er mit Einar Schleef durch die Mark gewandert war und beim dritten verfallenen Herrenhaus der stotternde Schleef zu ihm gesagt hatte: „Dudu, Vo-Vo-Volker, die Gutsbesitzer hätten sie uns ja wenigstens lassen können.“

Koepp denkt nach, wie sich die Mark in all den Jahren verändert habe, und sagt dann, dass er dafür nochmal seine alten Filme anschauen müsste, aber er sagt das nur, weil er dabei weiter nachdenken kann. „Es kommt mir im Nachhinein so vor, als sei es damals etwas heiterer gewesen“, antwortet er schließlich. Heute sei das, was es dort an sozialen Strukturen gegeben habe, aus den Fugen geraten. „Es hat sich aufgelöst und muss sich nun wieder setzen.“ Nur ein Mensch, sagt auch Graf Hahn in Koepps Film, könne schließlich heute bewirtschaften, wofür früher ein ganzes Dorf gebraucht wurde.

Ende des Sommers will Koepp wieder nach Czernowitz. „Ich fahre gerne zu Leuten zurück“, sagt Koepp. Und wahrscheinlich nehmen sie ihn gern zurück, diesen ruhigen, wachen Dokumentar, der seinen Orten treu bleibt: Nun will er die nächste Generation von Czernowitzern vorstellen, einer von ihnen ist Harvey Keitel. Dessen Mutter stammt aus der Südbukowina, und der Hollywood-Schauspieler hatte von Koepps Czernowitz-Film gehört. Durch Zufall.

„Uckermark“ startet heute in Berlin unter anderem in den Hackeschen Höfen und im Blow Up, am 17. Mai in Templin und am 30. Mai in Schwedt.

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