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Linksextremismus: Schieß doch, Bulle

Gegen eine linke Rockband, die mit ihren brachialen Songtexten Polizisten attackiert, hat am Montag im Amtsgericht Neuruppin der Prozess begonnen

Von Frank Jansen

Es riecht nach Kulturkampf. Notfalls werde er bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, sagt der Berliner Anwalt Stephan Martin. Er vertritt den gerade 18 Jahre alt gewordenen Felix B., einen unbedarft aussehenden Studententyp mit längeren Haaren und Brille. Doch Felix B. und die drei jungen Mitangeklagten sind die Protagonisten eines Rechtsstreits um Kunst, wie sie sich eben auch in brachialen Texten einer Rockband äußern kann – aber auch darf? Felix B. ist Gitarrist der Neuruppiner Gruppe Krachakne, ihr populärster Song heißt „Schieß doch Bulle“. Da gibt es Passagen wie „Die Polizei dein Freund und Helfer, knall sie ab und hilf dir selber“. Der Refrain lautet „Bullenschwein, ach Bullenschwein, wir schlagen dir die Fresse ein“. Solches Liedgut gehört in Punkclubs zum guten Ton, außerhalb nimmt den pubertären Krach kaum jemand ernst. In Neuruppin ist es anders. Das hat Folgen.

Die Staatsanwaltschaft hat Felix B., den Sänger Wulf H. (19), den Bassisten Patrick G. (22) und den Gitarristen Kevin D. (20) angeklagt, bei Konzerten mit dem Song „Schieß doch Bulle“ zu „Körperverletzungshandlungen“ aufgefordert zu haben, wenn auch „erfolglos“. Es ist das erste derartige Verfahren in Brandenburg gegen eine linke Band. Am Montag hat am Amtsgericht Neuruppin der Prozess begonnen. Doch schon nach einer Stunde wird er unterbrochen. Da Patrick G. ohne Anwalt gekommen ist, will Richter Veit Burghardt angesichts der „Tiefe“ des Falles nicht weiter verhandeln, bevor ein Pflichtverteidiger beigeordnet ist. Die anderen Anwälte stellen indes schon mal mit einem Beweisantrag klar, dass Krachakne alles dürfen müsse. So lange sie nicht rechtsextrem sind und Volksverhetzung betreiben, wie Martin später sagt.

Der Anwalt zitiert in dem von ihm formulierten Antrag bekannte Bands wie „Die Ärzte“ („Hängt die Bullen auf und röstet ihre Schwänze“), „Slime“ („Bomben bauen, Waffen klauen, den Bullen auf die Fresse hauen“) und „Normahl“ („Haut die Bullen platt wie Stullen“). Den Sänger von Normahl habe 1994 in letzter Instanz das Oberlandesgericht Thüringen vom Vorwurf der Aufforderung zu Straftaten freigesprochen, sagt Martin. Staatsanwaltschaft und Sicherheitsbehörden in Brandenburg hingegen zeigen sich nicht gewillt, Hassmusik nur Neonazis zuzurechnen.

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