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Luckenwalde: Geschlagen, gequetscht und getreten

Jahrelanges Mobbing in einer Luckenwalder Schule beschäftigt Justiz. Die Staatsanwaltschaft prüft die Aufnahme von Ermittlungen wegen möglicher Verletzung der Aufsichtspflicht gegen das Lehrerpersonal.

Es ist der Alptraum aller Eltern. Sie schicken ihr Kind am Morgen mit den besten Wünschen für einen erfolgreichen Tag in die Schule und erhalten wenig später die erschütternde Nachricht, dass es mit einem Schädel-Hirn-Trauma und einer ernsten Augenverletzung mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen werden musste.

Dabei ist der 12-Jährige im konkreten Fall nicht etwa unglücklich gestürzt, sondern von vier Mitschülern zusammengeschlagen worden. Zum großen Entsetzen fand die Prügelorgie mit Tritten und Schlägen nicht irgendwo im Verborgenen statt, sondern während der Pause auf dem Schulhof, wo Lehrer eigentlich die Aufsicht führen müssten. Mit den Umständen dieses brutalen Geschehens in der vergangenen Woche in Luckenwalde beschäftigen sich nicht nur die Menschen in der 50 Kilometer südlich Berlins gelegenen Kreisstadt, sondern auch Polizei, Staatsanwaltschaft und der Brandenburger Landtag. „Wir prüfen die Aufnahme von Ermittlungen wegen möglicher Verletzung der Aufsichtspflicht gegen das Lehrerpersonal“, hieß es am Montag von der Staatsanwaltschaft. Inzwischen befindet sich der erheblich verletzte Florian K. nach Angaben seiner Mutter wieder zu Hause. Eine Berliner Augenklinik kämpft um die Erhaltung der Sehkraft des Jungen. Die Familie hat sich zurückgezogen. Niemand kann ihr offenbar die Angst vor einer neuerlichen Attacke nehmen.

Schon drei Jahre wird Florian an der Friedrich-Engels-Schule drangsaliert und angegriffen

Inzwischen versucht die Polizei, die Hintergründe der Tat aufzuklären. Fest steht, dass Florian schon drei Jahre an der Friedrich-Engels-Schule drangsaliert und angegriffen worden war. Durch einen Stoß vom Fahrrad erlitt er einen Beckenbruch und einmal wurde ihm der Arm an der Toilettentür gequetscht.

„Der Vorfall in Luckenwalde ist so schockierend, dass sich der Bildungsausschuss des Landtages damit beschäftigen wird“, kündigte der jugendpolitische Sprecher der Linken, Torsten Krause, an. „Es ist nicht zu verstehen, warum das Pausenpersonal der Schule die Attacke nicht bemerkt hat“, sagte Krause. „Gerade an Grundschulen muss von den Lehrern eine große Aufmerksamkeit für das Geschehen in den Pausen verlangt werden.“ Konsequenzen dürfe es deshalb nicht nur für die Täter geben. „Wir müssen nach den tieferen Ursachen forschen und nachhaltige Schlussfolgerungen ziehen.“

Pro Jahr würden 750 bis 800 Delikte an den Schulen zur Anzeige gebracht

Nach seinen Angaben würden pro Jahr 750 bis 800 Delikte an den Schulen bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Die Tendenz zeige nach unten, was aber an den zurückgehenden Schülerzahlen. „Die Dunkelziffer dürfte bedeutend höher liegen, weil sich Kinder beim Mobbing zuerst an ihre Lehrer und erst viel später an die Polizei wenden.“ Deutschlandweit mache immerhin jeder fünfte Schüler Erfahrung mit Gewalt an der Schule.

In Luckenwalde wurden die vier gewalttätigen Schüler an andere Schulen versetzt, nachdem Eltern heftig protestiert hatten. „Bleiberecht für Prügler? Wer schützt unsere Kinder?“ lauteten Aufschriften auf Plakaten in der Stadt. Die Leitung der Friedrich-Engels-Schule hält sich mit öffentlichen Erklärungen mit Hinweis auf mögliche staatsanwaltschaftliche Ermittlungen inzwischen zurück. So bleibt vorerst auch der Vorwurf von Florians Mutter an die Lehrer offen, sie hätten seine psychischen und physischen Verletzungen nicht ernst genommen. Als der Junge nach einem Angriff in der Schule ins Krankenhaus musste, hatten sich Lehrer nach Darstellung der Mutter nur danach erkundigt, ob er wirklich stationär behandelt werde oder er die Schule nur schwänzen wolle. Regelmäßig sei er am Sonntagabend krank geworden – aus Angst vor dem nächsten Tag in der Schule, klagte seine Mutter. Claus-Dieter Steyer

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