zum Hauptinhalt

Brandenburg: Mahnmal in Guben: Angst vor der Macht der Täter

Am liebsten möchte man sich Ohren und Augen zuhalten: Der Dauerstreit um den Gedenkstein für den zu Tode gehetzten Farid Guendoul ist schon lange unerträglich - und wird doch jeden Monat noch absurder. Anstatt mit Wort und Tat das kleine Mahnmal im Gubener Plattenbauviertel Obersprucke gegen eine feindselige Umgebung zu verteidigen, debattieren Demokraten über Rückzug und Aufgabe.

Von Frank Jansen

Am liebsten möchte man sich Ohren und Augen zuhalten: Der Dauerstreit um den Gedenkstein für den zu Tode gehetzten Farid Guendoul ist schon lange unerträglich - und wird doch jeden Monat noch absurder. Anstatt mit Wort und Tat das kleine Mahnmal im Gubener Plattenbauviertel Obersprucke gegen eine feindselige Umgebung zu verteidigen, debattieren Demokraten über Rückzug und Aufgabe. Im Gespräch ist sogar die Idee, den Stein im Rathaus zu deponieren, weil sich Rechtsextremisten dort vielleicht nicht trauen, die achte und neunte und zehnte Schändung zu begehen. Adieu, Zivilcourage.

Zu Wort gemeldet hat sich auch Generalsuperintendent Rolf Wischnath, der das landesweite Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit leitet. Wischnath gilt als engagierter Christ und bemüht sich, das Aktionsbündnis endlich in Schwung zu bringen. Nicht ohne Erfolg: Die große Demonstration gegen Rechtsextremismus am 7. Januar in Cottbus war vor allem Wischnaths Werk. Das musste selbst Jörg Schönbohm zugeben, der noch im alten Jahr mit dem Kirchenmann aneinander geraten war. Wischnath fordert jetzt, den Gedenkstein für Farid Guendoul aus Guben-Obersprucke zu entfernen. Obendrein wirft der Generalsuperintendent der linken Szene vor, mit ihrem Engagement für das Mahnmal betreibe sie einen "Götzendienst".

Da hat sich Wischnath verrannt. Seine Äußerungen sind abwegig und unfair. Ohne die Antifa gäbe es nirgendwo in Guben ein Symbol, das permanent an den grässlichen Tod von Farid Guendoul erinnert. Dass dieser Akt des Anstands und der Pietät ausgerechnet von einem Christen diskreditiert wird, ist schwer zu begreifen. Obendrein erweist Wischnath wohl auch der Stadtverwaltung von Guben keinen Gefallen.

Der Stein des Anstoßes

Bürgermeister Gottfried Hain hat das Votum des Generalsuperintendenten für eine Verlegung des Steins auffallend neutral bewertet. Oft werde der Stein als Problem angesehen und nicht die rechtsextremen Schandtaten, sagt Hain. Und hofft auf mehr Einsicht in der Bevölkerung. Auf mehr Respekt für einen Flüchtling, der in Guben Schutz suchte und dann in einem Treppenhaus verblutete.

Was wird geschehen? Am heutigen Montag beraten Gubener Stadtverordnete über die Zukunft des Mahnmals. Sollte sich das Parlament der Kommune demnächst für eine Verlegung des Gedenksteins entscheiden, weg von dem Rasen, in dessen Nähe Guendoul starb, ist zumindest eines sicher: Skinheads und Neonazis werden triumphieren. Die Täter der Hetzjagdnacht und ihre Kumpane bestimmen dann am Tatort, wo des Tatopfers gedacht werden darf: Hier nicht. Das wäre im Sinne eines Teils der Bevölkerung. Es war schon unmöglich, eine Gedenktafel am Eingang zu jenem Treppenhaus anzubringen, in dem der Algerier starb. Wenn nun der Stein abtransportiert würde, hätte sich wieder einmal im Osten das Aktionsbündnis von normalen Ausländerfeinden und jungen Vollstreckern bewährt.

Will das ein streitbarer Christ hinnehmen? Oder lässt sich ein kämpferischer Christdemokrat wie Jörg Schönbohm von Randalierern das Gesetz des Handelns diktieren? Anders gefragt: Wie würden Staat und Zivilgesellschaft reagieren, wenn auch nur einmal in der Neuen Wache in Berlin die Pietà mit einem Hakenkreuz beschmiert wäre? Käme irgendein Demokrat auf die Idee, die Skulptur zu entfernen, die an die Opfer politischer Gewalt erinnern soll? Rolf Wischnath und Jörg Schönbohm bestimmt nicht, da ist kein Zweifel möglich. Warum gilt das nicht für Guben?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false