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Brandenburg: Maßregelvollzug in Brandenburg: Schmökel-Flucht war vermeidbar

Die unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Schmökel-Affäre hat gravierende Mißstände im Brandenburger Maßregelvollzug festgestellt. So sei die Behandlungs- und Lockerungspraxis bislang "durchweg mangelhaft" gewesen, so der Vorsitzende Herbert Schnoor am Montag in Potsdam bei der Vorstellung des Abschlussberichtes.

Die unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Schmökel-Affäre hat gravierende Mißstände im Brandenburger Maßregelvollzug festgestellt. So sei die Behandlungs- und Lockerungspraxis bislang "durchweg mangelhaft" gewesen, so der Vorsitzende Herbert Schnoor am Montag in Potsdam bei der Vorstellung des Abschlussberichtes. Zugleich habe das Landesamt für Soziales und Gesundheit seine Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen.

Die PDS-Opposition forderte erneut den Rücktritt Ziels, der für die fehlende Fachaufsicht verantwortlich sei. Ziel räumte Fehler ein, lehnte aber persönliche Konsequenzen weiterhin ab. Er kündigte "massive Veränderungen" im Maßregelvollzug an. Die Empfehlungen der Kommission würden "mit Nachdruck" umgesetzt. Der Fall Schmökel habe gezeigt, dass die Brandenburger Kliniken "nicht geeignet sind, dauerhaft nicht lockerungsfähige Patienten unterzubringen", sagte Schnoor, der erneut auf die katastrophale bauliche Situation der überbelegten Einrichtungen verwies. Schmökel hatte auf seiner letzten Flucht einen Rentner erschlagen, dessen Witwe jetzt das Land auf Schadenersatz verklagen will. Die sechste Flucht des gefährlichen Sexualstraftäters Schmökel hätte nach Ansicht der Experten bei Einhaltung simpler Standards verhindert werden können. "Es hat keine sachgerechte Kriminalprognose stattgefunden", sagte Schnoor. Die Kommission empfiehlt im Eberswalder Maßregelvollzug einen Sicherungstrakt mit bis zu 10 Plätzen für besonders gefährliche Insassen zu errichten.

In ihrem Abschlussbericht stellt die Kommission dem Maßregelvollzug in Brandenburg, speziell in Neuruppin, ein verheerendes Zeugnis aus: Neben Mängeln in Diagnose und Therapie wird besonders die legere Lockerungspraxis kritisiert. Die Entscheidungen hätten "nicht den handwerklichen Standards im Umgang mit gefährlichen Rechtsbrechern" entsprochen, so Hans Ludwig Kröber, Leiter des Instituts für forensische Psychiatrie an der Freien Universität Berlin. So sei das Votum von Pflegern, die unter anderem vor Lockerungen für Frank Schmökel warnten, nicht berücksichtigt worden.

Kröber sprach von einem "Fehlverständnis": Anstatt Lockerungen "auszuprobieren" müsse man die Therapie überprüfen. Inzwischen ist die Chefärztin der Neuruppiner Klinik abgelöst worden, die aber für Eberswalde weiterhin zuständig bleibt.

Die märkischen Maßregelkliniken konnten bislang nach eigenem Gusto schalten und walten, kritisierte die Kommission. Die Fachaufsicht habe "sich nicht als Aufsicht, sondern als Träger verstanden" und sei der "irrigen Auffassung gewesen", Patientenakten nicht einsehen zu dürfen, sagte Schnoor. Und die vorgeschriebene externe Begutachtung habe so ausgesehen, dass sich die märkischen Kliniken wechselseitig begutachtet und sich nicht wehgetan hätten.

Eine Einbeziehung des Ministeriums in Lockerungsentscheidungen lehnt die Kommission strikt ab. Ebenso eine Verlagerung von Zuständigkeiten für den Maßregelvollzug vom Sozialministerium zum Justizministerium. Schnoor betonte, dass die Kommission die Arbeit des Ministeriums selbst nicht untersucht habe. Dies sei eine "politische Frage, die von Landesregierung und Landtag" zu entscheiden sei. Ziel, der einen Rücktritt ablehnt, sagte, es sei ein "einmaliger, vielleicht sogar beispielhafter Vorgang" in der Bundesrepublik, wie ein Minister den Maßregelvollzug auf den Prüfstand gestellt habe. Am Abschlussbericht der Kommission seien bereits andere Bundesländer interessiert.

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