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Brandenburg: Maulkorb für "heimlichen Minister"

Edwin Zimmermann erteilt Nachfolger Zensuren und bringt SPD gegen sich aufVON MICHAEL MARA POTSDAM.Edwin Zimmermann, im letzten Herbst unter dem Druck von Ministerpräsident Manfred Stolpe als Agrarminister wegen Verquickung persönlicher und dienstlicher Angelegenheiten zurückgetreten, sorgt wieder einmal für Ärger: Anstatt sich für einige Zeit zurückzunehmen und kleine Brötchen zu backen - die Backofen-Affäre ist noch nicht ausgestanden - spuckt der selbstbewußte Kraftprotz zum Ärger mancher Genossen schon wieder große Töne, bringt er SPD, Regierung und vor allem seinen Nachfolger Gunter Fritsch in peinliche Situationen.

Edwin Zimmermann erteilt Nachfolger Zensuren und bringt SPD gegen sich aufVON MICHAEL MARA POTSDAM.Edwin Zimmermann, im letzten Herbst unter dem Druck von Ministerpräsident Manfred Stolpe als Agrarminister wegen Verquickung persönlicher und dienstlicher Angelegenheiten zurückgetreten, sorgt wieder einmal für Ärger: Anstatt sich für einige Zeit zurückzunehmen und kleine Brötchen zu backen - die Backofen-Affäre ist noch nicht ausgestanden - spuckt der selbstbewußte Kraftprotz zum Ärger mancher Genossen schon wieder große Töne, bringt er SPD, Regierung und vor allem seinen Nachfolger Gunter Fritsch in peinliche Situationen."Er sieht sich als heimlicher Landwirtschaftsminister", klagt ein SPD-Agrarexperte.Und Fraktionschef Wolfgang Birthler muß klarstellen: "Nicht Edwin Zimmermann, sondern Gunter Fritsch hat Brandenburgs Agrarpolitik nach außen zu vertreten." Eine typische Szene letzte Woche bei der Vor-Ort-Sendung des ORB zum Nationalpark Unteres Odertal in Schwedt: Edwin Zimmermann hat sich triumphierend unter die aufgebrachten Bauern und Angler gemischt.Immer wieder klopfen sie dem Ex-Minister anerkennend auf die Schulter."Habe ich Euch das nicht schon immer gesagt!", kommentiert der ausgewiesene Gegner der Naturschutzpolitik von Matthias Platzeck die lange Beschwerdeliste der Bauern und Angler.Damit heizt er die Stimmung nur noch an.Immer, wenn der am Podium stehende Gunter Fritsch während der hitzigen Diskussion zu Wort kommt, hört Zimmermann besonders aufmerksam zu: Mal nickt er, mal schüttelt er den Kopf - wie ein Lehrer, der einen Schüler benotet. Schwedt ist keine Ausnahme.Zimmermann ist auffallend oft da zu finden, wo sein Nachfolger auftritt.Wie früher als Minister reist der Landtagsabgeordnete durchs Land.Und überall wird er von den Bauern gefeiert, wie jüngst erst beim Schweinetag in Paaren/GIien.Der farblose, im Schatten Zimmermanns stehende Gunter Fritsch erhält allenfalls höflichen Beifall.Von den Bauern wird Fritsch offenkundig nicht als einer der ihren angesehen: Weder ist er Landwirt, noch spricht er ihre Sprache.Ob bewußt oder unbewußt - Zimmermann schürt diese Distanz noch: Nicht nur durch spitze Bemerkungen im kleinen Kreis, sondern indem er seinen Nachfolger, kaum daß dieser 100 Tage im Amt ist, sogar öffentlich Zensuren erteilt: Er sei fleißig und bemüht, müsse aber "noch viel lernen" und aufpassen, daß die Identität der brandenburgischen Agrarpolitik nicht verlorengeht, sagte er in einem Interview. "Das ist unfair", regt sich Fraktionschef Wolfgang Birthler auf.Fritsch habe in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit gute Arbeit geleistet.Auch manche Abgeordnete verfolgen Zimmermanns Umtriebigkeit mit Unbehagen.Freilich ist die Fraktion nicht unschuldig daran, daß sich Zimmermann wieder im Aufwind und sogar als Hüter brandenburgischer Agrarpolitik sieht, hat sie ihn doch mehrheitlich selbst - gegen Warnungen von Birthler - in den agrarpolitischen Arbeitskreis der Fraktion und in den Agrarausschuß des Landtages gewählt.Dadurch ist es zu der merkwürdigen Situation gekommen, daß der geschaßte Minister fröhlich die Arbeit seines Nachfolgers kontrolliert. Zimmermann habe versprochen, daß er sich sensibel verhalten werde, rechtfertigen sich seine Fraktionskollegen.Doch der Poltergeist aus Schöna-Kolpin denkt gar nicht daran: Jüngst verblüffte er in einem Interview mit der Feststellung, daß er seinen Rücktritt bereue: Hätte er damals gewußt, welche breite Solidarität ihm im Lande widerfahren würde, "hätte ich abgewartet, was am Ende stehen bleibt".Auch seine Partei bekam ihr Fett ab: Er hätte sich gewünscht, daß die breite Solidarität, die Regine Hildebrandt von der SPD erfahre, auch ihm gegenüber aufgebracht worden wäre.Auf die Frage, ob er nach der Landtagswahl 1999 das Ministeramt erneut übernehmen würde, falls Stolpe es ihm anböte, antwortet Zimmermann: "Ich würde nicht Nein sagen!" Und so arbeitet er mit Bauernschläue an seinem Comeback: Er berät Unternehmen und Verbände und kümmert sich um die Sorgen der Bauern.1999 möchte er sich wieder um ein Landtagsmandat bewerben. Ob dem Landwirt nach dem tiefen Fall der steile Aufstieg noch einmal gelingt, dürfte auch vom Ausgang der Backofen-Affäre abhängen: Der Landesrechnungshof konstatiert in einem Sonderbericht "eklatante Verstöße gegen Zuwendungsbestimmungen" bei der Förderung der Schaubäckerei auf dem familiären Hof, der Haushaltskontrollaussschuß wird sich damit im Mai befassen.Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Zimmermannschen Förderverein.Doch am Ende dürfte seine politische Zukunft allein von ihm selbst abhängen: Fraktionschef Wolfgang Birthler jedenfalls verdonnerte den "heimlichen Minister" am Dienstag in einem vertraulichen Gespräch zu einer sechsmonatigen Sendepause.

MICHAEL MARA

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