zum Hauptinhalt
Der schwedische Filmregisseur und Drehbuchautor Ruben Östlund bei der Verleihung des 30. Europäischen Filmpreises erhalten hat.

© Tobias Schwarz/AFP-POOL/dpa

Europäischer Filmpreis 2017: "The Square" siegt im Quadrat

Bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises macht Ruben Östlunds Satire das Rennen - gleich in mehreren Disziplinen.

Hier drin im Festsaal muss anders als draußen jedenfalls keiner bibbern. Es ist früher Samstagabend, im Haus der Festspiele soll die Verleihung des Europäischen Filmpreises über die Bühne gehen, aber obwohl die meisten Sitze noch leer sind, ist es heiß, als wäre man in Spanien. „Wir wollen euch nur auf Sevilla vorbereiten“, ulken die Leute von der European Film Academy. Dort unten im Süden Europas soll im kommenden Jahr die Zeremonie stattfinden.

Also bevor es losgeht, noch eine kleine Rückbesinnung auf die ersten 30 Jahre des Preises, es ist schließlich ein Jubiläumsjahrgang. Statistik kann überraschen: 80 Preise hat Frankreich bisher abgeräumt, Großbritannien 74 - dürfen die eigentlich nach dem Brexit noch mitmachen? –, Deutschland nur 36. Immerhin stellen wir mit 613 der 3400 Academy-Mitglieder die größte Gruppe.

Die französische Schauspielerin Julie Delpy bedankt sich für ihren Preis in der Kategorie «Beste europäische Leistung im Weltkino».
Die französische Schauspielerin Julie Delpy bedankt sich für ihren Preis in der Kategorie «Beste europäische Leistung im Weltkino».

© Tobias Schwarz/AFP-POOL/dpa

Aber genug der Zahlen, wir wollen Preise sehen. Zunächst sieht man nur das Bühnenbild: quadratische, aufeinandergestapelte, vorne offene Kästen, mal so, mal so dekoriert – kleine Auftrittsorte , in denen zwischen den Preisen Perlen der europäischen Filmkunst nachgespielt werden, nicht ganz ernst, szenenhaft verkürzt, „Orlando“ von Sally Potter beispielsweise, Michael Hanekes „Klavierspielerin“ oder auch „Tango“ von Carlos Saura, er selbst als stiller Bewunderer weiblicher Tanzkunst. Ein bunter Abend, das muss man schon sagen. Die Zaungäste draußen vor der Tür konnten jede Menge Promis gucken, von Nastassja Kinski und Ai Weiwei über Ulrich Matthes bis zu Sandra Hüller und Hanna Schygulla.

Delpy wollte Geld für nächsten Film auftreiben

Und erst drinnen: Wann hat man schon mal die Chance, mit Julie Delpy im Hotel zu frühstücken? Irgendeinem wird das Glück aber gelacht haben. Sie wolle hinterher Lotterielose verkaufen, um die fehlenden 600 000 Euro für ihren nächsten Film zusammenzubekommen, hatte sie in ihrer Dankesrede versprochen. Sie werde beim Frühstück unterhaltsam sein – dass sie das konnte, bewies sie ja gerade. Aber auf Wunsch weinen, das ginge auch. Und gebe es nicht reiche Leute im Saal, die ihrem unbedingt zum Film drängenden Partner oder den Kindern eine Filmrolle kaufen wollten?

Ja, das war alles recht amüsant, aber es gab auch ernste Phasen, und das nicht zu knapp, die Lage ist nun mal nicht zum Lachen. Der irische Filmproduzent Mike Downey erinnerte an den inhaftierten ukrainischen Filmregisseur Oleg Sentsov, und besonders Academy-Präsident Wim Wenders hielt eine das Publikum offensichtlich berührende Rede gegen den neuen Nationalismus. Europa sei nicht das Problem, Europa sei die Lösung, und er sei stinksauer – das Wort wiederholte er in vielen Sprachen – über die Vereinfacher und Europa-Demagogen „Wir sind eine Familie, keine Konkurrenten“, sagte er und endete nicht ohne Pathos: „Long live our rich and free European Cinema.“ Großer Beifall, war ja klar. Auch Aleksandr Sokurov hielt eine melancholische, fast depressive Rede, erinnerte ebenfalls an Oleg Sentsov – im übrigen ein galanter Preisträger, der vor Laudatorin Agniezka Holland sogar in die Knie ging und ihr die Hand küsste.

Tränen gab es auch, aber aus anderem Grund. Die Schauspielerin Alexandra Borbély war über ihren Preis so gerührt, dass sie kaum sprechen konnte. Riesenapplaus half ihr weiter, es wurde nun richtig spannend. Immer mehr Preise hatte „The Square“ eingesammelt. Würde ihn der zweite, bislang nicht sehr mit Ehren überschüttete Favorit „On Body and Soul“ von Ildikó Enyedi kurz vor dem Ziel doch noch stoppen? Hat er nicht geschafft, „The Square“ machte das Rennen.

DIE PREISE

Spielfilm: „The Square“, produziert von Erik Hemmendorff & Philippe Bober

Komödie: Ruben Östlund („The Square“)

Regie: Ruben Östlund („The Square“)

Schauspieler: Claes Bang („The Square“)

Schauspielerin: Alexandra Borbély („On Body and Soul“)

Drehbuch: Ruben Östlund („The Square“)

Dokumentarfilm: Anna Zamecka („Communion“)

Animationsfilm: Dorota Kobiela & Hugh Welchman („Loving Vincent“)

Kurzfilm: Juanjo Gimenez („Timecode“)

Kamera: Michail Krichman („Loveless“)

Schnitt: Robin Campillo („BPM“)

Produktion Design: Josefin Åsberg („The Square“)

Verdienst um das Weltkino: July Delpy

Lebenswerk: Aleksandr Sokurov

Publikumspreis: Maria Schrader („Vor der Morgenröte“)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false