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Proben im Saal des Gemeindehauses der Paulus-Kirchengemeinde zu dem aktuellen Stück von Erich Kästner „Verwandte sind auch Menschen“

© Anett Kirchner

Zehlendorfer Theatergruppe wird 30 Jahre alt: „Sonst wäre es zu schön!“

Seit dreißig Jahren begeistert die Theatergruppe "Schattenlichter" ihr Publikum. Die Hobbyschauspieler sind dabei gleichzeitig Darsteller - und jeder für sich auch Regisseur des jeweiligen Bühnenstücks. Der Zehlendorf Blog hat eine der Proben der aktuellen Komödie besucht.

„Der Tisch steht zu weit hinten. Wenn Du sprichst, musst Du Deine Stimme ein wenig heben. Sollte ich nicht zuerst gehen? Es ist besser, wenn Du die Koffer trägst.“ Nein, das sind keine Zitate aus einem Restaurant, Konzert oder vom Bahnhof. Es sind Regieanweisungen während einer Probe der Zehlendorfer Theatergruppe „Schattenlichter“ im Saal des Gemeindehauses der Paulus-Kirchengemeinde. Die, die gerade nicht auf der Bühne stehen, kommentieren lebhaft, machen Vorschläge, sagen, was ihnen nicht gefällt. Jeder führt hier Regie. Das wirkt manchmal ein wenig chaotisch, aber es gehört zum Konzept, ist gewollt und funktioniert seit nunmehr 30 Jahren. Zu ihrem Jubiläum bringen die Schattenlichter vom 25. bis zum 28. Februar Erich Kästners Komödie „Verwandte sind auch Menschen“ auf die Bühne.

Das Theaterspielen macht mehr Freude, wenn sich jeder am Entstehen des Stückes unmittelbar beteiligt, quasi mit verantwortlich ist, finden die Laiendarsteller und sprechen aus Erfahrung. Sie haben es ausprobiert. Ein Regisseur funktioniert bei ihnen nicht.

Allerdings geben sie auch zu, dass es mitunter Probleme gibt, wenn sich alle einmischen. Das habe speziell mit Vertrauen und Kritik zu tun. „Wir mussten das Kritisieren erst lernen, denn niemand soll sich verletzt fühlen“, erklärt Elke Brumm. Sie ist inzwischen das dienstälteste Schattenlicht, seit 1986 dabei, also ein Jahr nach der Gründung der Theatergruppe.

In dem Stück von Erich Kästner spielt sie eine kleine, aber keineswegs belanglose Rolle. Sie verkörpert eine hochnäsige, habgierige Dame, die gleich zu Beginn das Haus vermisst, um zu erfahren, welches Erbe sie erwartet. Es geht um Gier, Intrigen, Rache und Familie.

Der wohlhabend gewordene Stefan Blankenburg, vor 40 Jahren nach Amerika ausgewandert, will nach Deutschland zurückkehren, stirbt jedoch während der Reise. Im seinem letzten Willen hat er verfügt, dass sich die Nachkommen seiner ungeliebten Geschwister in seiner neuen Villa in Deutschland versammeln und dort vier Tage gemeinsam verbringen, bis das Testament eröffnet wird.

Es braucht wenig Fantasie, um vorherzusehen, wie sich diese Geschichte entwickelt. Menschen sind Menschen, weil sie eben Menschen sind. Auch Erich Kästner konnte das in seiner Zeit beobachten und niederschreiben.

Nach der Vorstellung ist vor der Vorstellung

Eine der Hauptrollen - den Diener des verstorbenen Hausherrn - spielt Jörg Klein alias Leberecht Riedel. Auch er ist eine feste Größe in der Zehlendorfer Theatergruppe, gehört etwa seit zehn Jahren zu den Schattenlichtern. Schon in seiner Jugend spielte er leidenschaftlich gern Theater. „Es ist so ein schönes Erlebnis“, verrät er, „dass vier Aufführungen reichen, sonst wäre es zu schön.“ Nach den Vorstellungen wandle sich das Hochgefühl oftmals ins Gegenteil, weiche der Wehmut. „Das deprimiert“, sagt er. Doch nach einer Vorstellung sei auch jeweils vor der nächsten Vorstellung, wenngleich ein Jahr dazwischen liege.

Insgesamt spielen etwa 18 Darsteller in der Gruppe. Sie sind alle Laien, schauspielbegeistert und haben im wahren Leben einen bürgerlichen Beruf. Gymnastiklehrer, Gärtner, Apotheker, Chemiker und Buchhalter. Jörg Klein ist zum Beispiel Malermeister in Wannsee. Sein handwerkliches Geschick nutzt er unter anderem bei der Gestaltung des Bühnenbildes. Alles wird in Eigenregie entworfen.

Die Erfahrungen aus ihrem „normalen“ Leben bringen die Schattenlichter ein. Jeder hat seine Aufgabe, wenngleich sie manchmal banal erscheint. „Einer ist für den Schlüssel des Gemeindesaales verantwortlich und muss bei den Proben immer als Erster da sein“, schildert Brumm. Andere verkaufen die Karten oder kümmern sich um die Kostüme. Wie etwa Dagmar Ostermann, die sich besonders gern für das Organisieren der Kostüme und Requisiten einsetzt. Oft arbeitet sie dabei mit dem „Trödelcafé“ der evangelischen Paulus-Kirchengemeinde zusammen.

Bevor Dagmar Ostermann in den Ruhestand ging, war sie Beamtin, hatte überwiegend mit Akten gearbeitet. „Ich wollte etwas ganz anderes machen, mich ausprobieren“, erinnert sie sich. Dann habe sie eine Vorstellung der Schattenlichter gesehen und gewusst: „Das ist es!“

Seit 30 Jahren bringt die Gruppe jeweils im Februar ein neues Stück auf die Bühne. Für viele Zehlendorfer scheint das ein fester Bestandteil in ihrem Kulturkalender zu sein. Fast alle Tickets für die aktuellen Aufführungen sind ausverkauft. Restkarten gibt es an der Abendkasse ab 19:40 Uhr. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr.

Jeder soll sich den Eintritt leisten können

Als vor 30 Jahren ein evangelischer Gemeindepfarrer in der Zehlendorfer Paulus-Kirche am Heiligen Abend mit einigen Konfirmanden ein Krippenspiel aufführte, ahnte wohl niemand, dass diese Gruppe bis heute existieren würde. „In den ersten Jahren spielten wir vor allem in den Gottesdiensten“, erinnert sich Elke Brumm. In dieser Zeit seien auch mehrere Schattenspiele, hinter einem großen, weißen Laken und vor einem Scheinwerfer, vorgeführt worden. Deshalb entstand der spezielle Name. Nach und nach wurden aus kleinen Stücken abendfüllende Dramen.

Und auch die aufregende Zeit des Mauerfalls erlebte die Gruppe hautnah. 1989 fiel die Premiere des Stückes „Kein Krieg in Troja“ von Jean Giraudaux auf den 9. November. Bereits einen Tag später saßen Besucher aus Potsdam und Kleinmachnow mit Freikarten im Publikum. Was sich die Schattenlichter immer bewahrt haben: Sie spielen nicht gewinnorientiert. Der Eintritt kostet seit vielen Jahren fünf Euro. „Wir wollen, dass sich jeder den Theaterbesuch leisten kann“, sagt Detlef Keck, Betriebswirt im Ruhestand. Wenn die Einnahmen reichen, um die Ausgaben für das nächste Stück einzuspielen, seien alle zufrieden.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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