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Historische Mitte: Senat schiebt Entwicklung des Stadtzentrums auf

Das Archäologische Besucherzentrum am Petriplatz wird vorerst nicht gebaut. Auch die Umgestaltung des Rathausforums droht einzuschlafen. Scheitern die Bauvorhaben zugunsten der Neuen Landesbibliothek in Tempelhof?

Der Senat legt seine Prioritäten auf den Bau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) – und schiebt dafür die Entwicklung des Stadtzentrums, Berlins historischer Mitte, auf. Kulturstaatssekretär André Schmitz sagte im Abgeordnetenhaus, dass der Bibliotheksbau ein „großer kulturpolitischer Erfolg“ für den Senat sei, der sich damit aber einen „kräftigen Schluck aus der Pulle“ genehmige. Wegen des 270-Millionen-Euro-Projektes würden andere Vorhaben nun allenfalls „zeitlich verzögert“ realisiert. Dazu zähle auch das Archäologische Besucherzentrum am Petriplatz. Der Neubau sei aber „zu keiner Zeit beschlossen“, betonte Schmitz einschränkend.

Auch der für diese Legislaturperiode angekündigte Wettbewerb zur Umgestaltung des zugigen Rathausforums am Fernsehturm ist nicht in Sicht. Zunächst solle eine öffentliche Debatte über Planungen geführt werden. Der Regierende Bürgermeister, der zur Linken von Schmitz im Kulturausschuss Platz genommen hatte, griff in die Debatte nicht einmal ein. Dafür sekundierte der neue Staatssekretär für Stadtentwicklung Ephraim Gothe (SPD) Schmitz: „Die Frage der Finanzierung des Archäologischen Zentrums ist eine schwierige.“ Zwar sei der Einsatz von EU-Mitteln geplant. Doch auch da gebe es konkurrierende Berliner Vorhaben – und die Hauptstadt könne nicht alle Projekte einreichen. Auch die Gestaltung des Rathausforums will Gothe in aller Ruhe angehen und zunächst „eine gut strukturierte Debatte führen bevor man einen Wettbewerb auslobt“.

Für die Sprecherin für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, sind die Pläne für das Archäologische Besucherzentrum damit beerdigt. Sie warf dem Senat vor, „ein Wahlversprechen gebrochen“ zu haben. Wie berichtet, hatten sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag zu dem Bau des Besucherzentrums bekannt. Doch bei den Verhandlungen über den Haushalt waren keine Mittel für das Projekt ausgewiesen worden. Zwar hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erklärt, die Finanzierung des Zentrums werde in den nächsten Doppelhaushalt einfließen. Dann könnte es zu spät sein, um die EU–Mittel in Höhe von 14 Millionen Euro für den Neubau abzurufen. Diese müssen bis spätestens 2015 fließen. „Jeder, der etwas von Bauabläufen versteht, weiß, dass die Verschiebung faktisch das Aus bedeutet“, so Kapek.

Der für Stadtplanung zuständige Abteilungsleiter Manfred Kühne lobte die bei den Ausgrabungen am Petriplatz entdeckten Funde als „weit vielseitiger und spektakulärer als erwartet“. Neben Resten der verschwundenen Petrikirche hätten die Archäologen Teile des Cöllnischen Rathauses und der Mittelalterlichen Lateinschule entdeckt. Auch zahlreiche Gräber wurden freigelegt. „Es steht fest, dass dies erhalten und sichtbar gemacht werden sollte“, sagte Kühne. Aber auch er schränkte schnell ein, dass dieses Vorhaben finanzierbar sein müsse und „unter Haushaltvorbehalt steht“.

Entwicklung der historischen Mitte

So einmütig und deutlich war die – wenigstens vorläufige – Absage an die Entwicklung der historischen Mitte bisher noch nicht vorgetragen worden. Und das zugunsten des Baus der ZLB auf dem Tempelhofer Feld, den Wowereit vorantreibt. Die Prioritäten des Senats überraschen aber auch deshalb, weil die Stadt im Oktober ihr 775–jähriges Jubiläum feiert und ihren Ursprung anhand von acht Orten im historischen Kern erlebbar machen wollte. Diese Orte sollte später eine „archäologische Promenade“ miteinander verbinden. Dort, wo keine Bauwerke stehen, sollten „archäologische Fenster“ den Blick auf Fundamente und Grundmauern erlauben. Das Archäologische Zentrum wäre über den freigelegten Gemäuern am Petriplatz emporgewachsen und Ausgangspunkt dieser Promenade gewesen. Dort hätten Besucher den Archäologen bei der Reinigung von Funden über die Schulter schauen können – und Karten für ihre Eroberung der historischen Stadt erhalten.

Aufschub oder Absage dieses Projekts verwundern aber auch wegen des enormen Erfolgs der Humboldt-Box Unter den Linden. Dabei haben die Bauarbeiten für die Rekonstruktion des Schlosses noch gar nicht begonnen. Erdarbeiten wird es aber auch dort bereits in diesem Jahr geben. Und auch die Debatte um den gläsernen Kubus, den Thyssen-Krupp als Repräsentanz vor das Staatsratsgebäude stellen wollte, hat das breite Interesse an Mitte belegt. „Trotz aller Bekundungen, wird bei konkreten Projekten keine Rücksicht auf die historische Stadt genommen“, sagte Willo Göpel vom Bürgerforum historische Mitte.

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