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Besonders betroffen von illegalen Ferienwohnungen ist die Wilhemstraße zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz.

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Illegale Ferienwohnungen: Tür an Tür mit Touristen

Viele Berlin-Besucher bevorzugen Privatquartiere, reguläre Mieter sind davon genervt. Aber auch für die Tourismus-Branche ist der "graue Herbergsmarkt" langfristig gesehen eine Bedrohung.

Türen schlagen, Gelächter und der Lärm von Rollkoffern tönen durchs Treppenhaus, laute Musik dringt durch die Wände in die Nachbarwohnungen. Alltag in der Berliner Wilhelmstraße, einer Toplage zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz. In den Apartments schlafen Touristen – zum Ärger der Dauermieter. „Viele, die hier wohnen, fühlen sich wie auf dem Bahnhof“, sagt Jürgen Mickley von der Bürgerinitiative Wilhelmstraße Berlin Mitte, die gegründet wurde, um sich gegen die Situation zu wehren.

Dass immer mehr Privatwohnungen an temporäre Besucher vermietet werden, ist aus Sicht vieler Anwohner eine der Schattenseiten des Tourismusbooms, den die Hauptstadt seit Jahren erlebt. Von den rund 930 Wohnungen in der Wilhelmstraße würden etwa 260 als Unterkünfte für Gäste vermietet, sagt Mickley. „In manchen wohnen ganze Schulklassen.“ Für die Besucher sei aber gar nicht ersichtlich, dass es sich bei den Unterkünften keineswegs um angemeldete Fremdenzimmer, sondern um Privatwohnungen handle. Einige alteingesessene Anwohner seien bereits ausgezogen, weil sie die Situation nicht mehr ertragen hätten, andere seien kurz davor. „Es ist eine immense Belastung“, sagt Mickley.

Zwischen 15 000 und 25 000 Wohnungen sind nach Schätzungen in der Hauptstadt für Touristen umfunktioniert worden. Der Trend setzte ein, nachdem die Bestimmungen über Zweckentfremdung vom Senat 2002 gelockert wurden, weil es keinen Wohnungsmangel mehr gab. Inzwischen sorgen sich manche Bezirke jedoch um eine Verdrängung der Bevölkerung – besonders die zentral gelegenen Stadtteile Mitte, Kreuzberg und Prenzlauer Berg.

„Die Mieten steigen, denn der Wohnraum ist knapp“, sagt der Kreuzberger Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne). Der Bezirk sei dagegen, dass Vermieter ihre Wohnungen Touristen anböten. „Wir wollen das nicht haben. Wir brauchen günstige Wohnungen für junge Familien.“ Panhoff will, dass der Senat die Regelung für Zweckentfremdung wieder verschärft. Doch dieser schoss den Ball vor einem Jahr ins Feld der Bezirke, als er strengere Auflagen für den Brandschutz und die Rettungswege in „Beherbergungsstätten über zwölf Betten“ erließ. Die Bauämter der Bezirke sollen überprüfen, ob die Bestimmungen eingehalten werden. Doch „unsere Mitarbeiter müssten erst zählen, wie viele Betten in einem Haus an Touristen vermietet werden. Das ist schwierig, weil die Fremdenzimmer meist in verschiedenen Wohnungen liegen“, sagt Panhoff. Eine solche Detektivarbeit sei auch wegen der Personalknappheit nicht zumutbar.

Leidtragende sind vor allem die Hotels und Pensionen. Der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Berlin, Thomas Lengfelder, beklagt eine „Wettbewerbsverzerrung“ durch Anbieter, die am Gesetz vorbei nach Touristen fischten. Er schätzt, dass die Zahl der Übernachtungen in Ferienwohnungen pro Jahr bei mehr als drei Millionen liegt – „ein guter Teil davon in illegalen Ferienwohnungen“.

Lengfelder kritisiert vor allem die mangelnde Hygiene und die fehlende Sicherheit in derartigen Unterkünften. Schimmelpilze, ungesicherte Steckdosen und freiliegende Elektrokabel seien keine Seltenheit. Fluchtwege seien nicht ausgewiesen oder Feuerlöscher defekt. Außerdem würden Meldevorschriften umgangen, weil von den Touristen häufig nicht verlangt werde, einen Pass vorzulegen. Hinzu kämen Steuerausfälle für das Land in unbekannter Höhe.

Auch die landeseigene Tourismusagentur Visitberlin ist nicht glücklich über den „grauen Herbergsmarkt“, wie Sprecher Christian Tänzler sagt. „Das ist unlautere Konkurrenz.“ Die Vermieter handelten „absolut unverantwortlich“, wenn sie ganze Schulklassen in Privathäusern unterbrächten. Unglücklich ist Tänzler auch über das „Konfliktpotenzial“ mit der Nachbarschaft – denn Stunk gegen Besucher der Hauptstadt will Visitberlin natürlich um jeden Preis vermeiden. (mit AFP)

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