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Platz da!: Folge 6: Antonplatz

Nun ist der Antonplatz nur ein Verkehrsknoten mit viel Nichts und schmutzigen Gehwegplatten. Nicht nur der Handel fordert: Renovieren, bitte!

Weißensee ist im Kommen, davon ist Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner überzeugt. Immer mehr junge Familien zieht es in den Pankower Ortsteil, Baugruppen siedeln sich an, es eröffnen neue Geschäfte. Und dann sind da noch die vielen Touristen, die zum Jüdischen Friedhof pilgern, den größten seiner Art in Europa. „Die Entwicklung der Gegend ist hoch interessant“, sagt Kirchner. Dennoch gibt es ein Problem: Weißensees „Visitenkarte“. Wer hinfährt, egal ob mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln, kommt am Antonplatz vorbei. Und der macht keinen guten Eindruck – weder optisch noch akustisch.

Der Antonplatz kurz hinter der Grenze zu Prenzlauer Berg ist ein Verkehrsknotenpunkt, im nördlichen Teil von der Langhans- und der Max-Steinke-Straße flankiert und durchschnitten von der vierspurigen Berliner Allee. Auf einer Mittelinsel laufen drei Straßenbahnlinien zusammen, zur Hauptverkehrszeit rauscht hier alle fünf Minuten eine Tram vorbei. Der Antonplatz ist eine Art Eingangstor zu Weißensee. „Ein schönes Willkommen ist das für die Besucher nicht“, sagt Grünenpolitiker Jens-Holger Kirchner, der die Abteilung Stadtentwicklung leitet. Aber auch wer in der Gegend wohnt oder arbeitet, hält sich hier nicht länger auf als nötig. Laut, trist, ungemütlich ist es hier.

In der Mitte steht eine Uhr, drumherum befinden sich lieblos angeordnete, teils demolierte Bänke, auf denen Alkis gerne den Rausch ausschlafen, den sie sich im Imbiss an der Ecke angesoffen haben. Die Gehwegplatten sind schmutzig. Die seien kurz nach der Neugestaltung des Platzes um die Jahrtausendwende mal gelb gewesen, sagen Anwohner. Das ist selbst mit viel gutem Willen nicht mehr zu erkennen.

Vage erahnen lässt sich das Begrünungskonzept, auch wenn es kein sonderlich gelungenes ist. Sieben Bäume säumen den nördlichen Teil des Platzes, wobei die Bezeichnung Baum nicht wirklich trifft. Es handelt sich um windschiefe Gewächse mit mickrigen Kronen, deren dürre Stämme durch Baumgitter und Bodenplatten geschützt werden. Weißdorn, lautet die botanisch korrekte Bezeichnung – eine Gattung aus der Familie der Rosengewächse.

Bildergalerie: Platz da! Die Leserdebatte zu Berliner Stadtplätzen

Ein trostloser Anblick, findet Katharina Hildebrandt. Seit 1992 betreibt sie hier mit ihrem Mann eine Apotheke, anfangs in der Berliner Allee, seit fünf Jahren direkt am Platz. Das Haus, in dem sich die Apotheke befindet, ist ein sechsstöckiger Neubau aus den neunziger Jahren, mit einer eigenwilligen Fensterfront, die optisch heraussticht zwischen den Gründerzeitbauten der Gegend, allerdings nicht positiv. „Ohne Sinn und Verstand“ sei hier nach der Wende gebaut worden, sagt Katharina Hildebrandt und deutet auf ein uninspiriertes Eckhaus mit grünen Fensterrahmen schräg gegenüber.

Jens-Holger Kirchner formuliert es noch deutlicher: „Diese Bauten wurden damals einfach hingerotzt und wären so heute nicht mehr denkbar. Das ist ein städtebauliches Verbrechen.“ Auch die Platzgestaltung findet er mehr als lieblos. Dem zugrunde liegenden Konzept attestiert er mangelnden Charme. „Der stadtgestalterische Anspruch schien damals noch ein anderer gewesen zu sein.“

Dass es hier einmal anders – sprich: schöner – aussah, bezeugen historische Aufnahmen. Als Stadtplatz wurde der Antonplatz Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt. In der darauffolgenden Zeit entstanden drumherum drei- bis vierstöckige Bürgerhäuser, eine Grünanlage bildete den Mittelpunkt, und einst stand hier sogar ein Denkmal, das an Kaiser Wilhelm I. erinnerte.

Den einzigen schönen Blickfang im nördlichen Teil bildet heute das Kino „Toni“ mit seinem roten Leuchtschriftzug. Eröffnet wurde es 1920, damals unter dem Namen „Decla Lichtspiele“. Anfangs liefen ausschließlich Stummfilme, später rüsteten die Betreiber auf Tontechnik um. Während des Zweiten Weltkriegs musste der Betrieb eingestellt werden, das Gebäude wurde zum Teil stark zerstört. Drei Jahre dauerten die Instandsetzungsmaßnahmen, bis das Haus 1948 unter seinem jetzigen Namen eröffnete. 1992 erwarb Filmregisseur Michael Verhoeven das Kino und zeigt hier seither überwiegend europäische Autorenfilme. Das „Toni“ ist heute einer der wenigen Orte, die an die langjährige Filmtradition Weißensees erinnern. Rund um den Antonplatz gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts sieben Lichtspielhäuser; der spätere Weltstar Marlene Dietrich stand in den legendären Studios von Joe May in der Berliner Allee erstmals vor der Kamera.

Bodo Hildebrandt, der nicht nur die Apotheke am Antonplatz betreibt, sondern auch in der IG City Weißensee die Interessen der ansässigen Gewerbetreibenden vertritt, erhofft sich eine baldige optische Aufwertung des Areals, um so nicht zuletzt das Gemeinschaftsgefühl unter den Geschäftsleuten zu stärken. Seine Frau fügt hinzu: „Es wäre schön, wenn sich die Aufenthaltsqualität verbessern würde und beispielsweise Verweilmöglichkeiten für junge Mütter mit Kinderwagen geschaffen würden.“ Rainer Perske, der am Antonplatz zwei Mal pro Woche einen Markt betreibt, stören neben der Lautstärke des Verkehrs vor allem die empfindlichen Gehwegplatten, die schnell dreckig werden und das Gesicht des Platzes noch hässlicher machen.

Im südlichen Teil, der durch die Berliner Allee abgetrennt wird, ist der Wunsch vieler Anwohner nach Grün bereits realisiert worden. Vor vier Jahren wurde der Bereich für 800 000 Euro umgestaltet, mit einer großzügigen Rasenfläche und einem flachen Wasserbecken. Seit kurzem gibt hier ein kleines Café gleich neben dem Supermarkt. Und genau dort sieht man sie an warmen Tagen sitzen, die jungen Mütter mit Kinderwagen.

Die Landschaftsarchitekten haben ihre Plätze-Ideen für unsere Serie ausgearbeitet. Jetzt haben Sie als Leser die Möglichkeit, sich einzumischen, mit den Planern, mit Bezirksstadträten und anderen Anwohnern über die Gestaltung Ihres Platzes zu diskutieren. Denn zu jeder Folge gibt es einen Ortstermin direkt am Platz. Machen Sie mit, kommen Sie einfach hin!

Wir laden Sie ein, am Dienstag, 8. Mai, über das Konzept zu diskutieren. Mit dabei: Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner, Bodo Hildebrandt von der Interessengemeinschaft City Weißensee und Jörg Fügmann, Geschäftsführer der Brotfabrik.

Ort: Kino Toni, direkt am Antonplatz. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr mit einem kurzen Beamer-Vortrag, anschließend beginnt die Diskussion. Ende: 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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