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Von Schließung bedroht: Berliner Szene-Clubs in der Warteschleife

Yaam, ADS, Chez Jacki: Den Clubs an der Spree droht das Aus. Die Investoren zögern. So lange wird gehofft – und getanzt.

Im Sand liegt eine Gruppe junger Menschen, hinter ihr glitzert die Spree. Ein paar Meter weiter spielen ein paar Jungs Basketball, es läuft Hip-Hop und Reggae-Musik. Die Atmosphäre im „Yaam“ am Stralauer Platz in Friedrichshain wirkt entspannt. Fast unbekümmert. Doch der Eindruck trügt. Denn für die Betreiber stellt sich die Frage, wie lange sie mit ihrem Sport- und Freizeitangebot noch weitermachen dürfen.„Wir hoffen auf ein weiteres Jahr, aber Planungssicherheit haben wir nicht“, sagt Lea von Varnbüler, Mitglied der Geschäftsführung. Ein spanisches Unternehmen hat das Grundstück erworben und will mehrere Bürogebäude darauf errichten. Um das Yaam zu retten, hatte die Initiative „Mediaspree versenken“ zwischenzeitlich einen Grundstückstausch ins Gespräch gebracht. Allerdings ist sich auch von Varnbüler bewusst, dass es für den Bezirk schwierig sein wird, einen geeigneten, ähnlich attraktiven Ausweichstandort für den Investor zu finden. Die Tage dürften daher gezählt sein.

Der Schwebezustand ist für das Yaam nichts Neues, die Macher sind ihn seit langem gewohnt, im Grunde ist er ein Dauerzustand. Vor knapp 17 Jahren wurde der „Young African Art Market“ auf dem Gelände der Arena gegründet – die Jungs von Seeed widmeten dem Yaam wenig später ein Lied. Von diesem Ruhm konnte das Veranstaltungsgelände jedoch nicht langfristig profitieren. Sechsmal musste es bislang umziehen. Für das Team jedes Mal aufs Neue eine Belastungsprobe. Denn unklar war, wie schnell die Betreiber einen neuen Standort finden und wie lange sie zwischenzeitlich in der Luft hängen würden. „Wir sind ja nicht nur ein Club, wir betreiben auch Jugendarbeit und holen Kids von der Straße“, sagt Lea von Varnbüler. So gab es in den zurückliegenden Ferien beispielsweise unter der Woche ein spezielles Betreuungsangebot für Schüler.

Ein paar hundert Meter vom Yaam entfernt ist das Ende bereits in greifbarer Nähe, mal wieder. Bis zum 31. Dezember darf Clubbetreiber Ben de Biel die ausgebaute Industriehalle am Spreeufer noch nutzen, danach muss er das Gelände räumen. Sein Laden soll einer Wohnanlage und einem Hotel weichen, die ein Hamburger Investor plant.

Der wollte ursprünglich schon diesen Sommer anfangen zu bauen, überlegte es sich aber kurzfristig anders – und gewährte Ben de Biel die Nutzung des Areals für weitere sechs Monate. De Biel, eigentlich Fotograf von Beruf, stand plötzlich vor einem Problem: Die Abschlussparty für die „Maria am Ostbahnhof“ war zu diesem Zeitpunkt bereits organisiert, namhafte DJs wie Barbara Preisinger, Modeselektor und Thomas Fehlmann längst gebucht. Was nun? Ben de Biel entschied sich dafür, das große Finale wie geplant am 21. Mai steigen und die Maria nach 13 Jahren zu Grabe tragen zu lassen. Das verbleibende halbe Jahr macht er nun unter anderem Namen weiter. „Aus Protest“, sagt de Biel.

Seither ist der berühmte rote „Maria“-Schriftzug am Eingang verschwunden. An seiner Stelle leuchten nun drei weiße Buchstaben: „ADS“. Den Namen hat Ben de Biel nicht ohne Grund gewählt. Die Abkürzung steht für „An der Schillingbrücke“. Aber auch für Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Daran leide nämlich derzeit die gesamte Clubszene, findet der 48-Jährige: „Jeder, der mit Geld winkt, bekommt Gehör. Unsere Interessen kümmern hingegen niemanden.“ Das sei schwer nachvollziehbar, denn die Subkultur betreibe Entwicklungsarbeit und trage so zur Attraktivität der Stadt bei. Die Politik werbe nicht ohne Grund mit der lebendigen Clubszene für Berlin. Ob und wie es im Januar mit dem ADS weitergeht, ist nicht klar. Sollte sich kein Alternativstandort in der Nähe finden, denkt Ben de Biel sogar ans Aufhören. „Ich muss keinen Club mehr betreiben, das können Jüngere gerne übernehmen.“

Bénédict Berna fände es schade, wenn es so weit käme. Der Partymacher ist von Ben de Biel abhängig und somit ebenfalls von dem bevorstehenden Aus im Januar bedroht. In einem Nebenraum des ADS organisiert er seit kurzem die Veranstaltungsreihe „Chez Jacki“. „Klar könnte man die auch woanders ansiedeln“, sagt Berna, bei dem die Piratenpartei am Donnerstag ihren Wahlkampfauftakt feierte. Mit de Biel zusammenzuarbeiten sei jedoch eine große Freude, sagt der aus Frankreich stammende Veranstalter. Ein Ende würde er sehr bedauern.

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