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Saubere Sache in Friedrichshain-Kreuzberg: Berliner Hundekot-Problem: Die Lösung könnte so einfach sein

Gehwege und Grünanlagen ohne Hundehaufen, das könnte so einfach sein. Die Initiative "Stadt und Hund" hat die Lösung auch für Berlin – und kämpft allein. Von Senat und Bezirken fühlen sich die Initiatoren seit Jahren hingehalten.

„Stadt und Hund“ ist im Rahmen unserer Aktion "Saubere Sache" am 15. September ab 10.30 Uhr auf dem Petersburger Platz in Friedrichshain aktiv. Zusammen mit Eltern und Kindern der Evangelischen Grundschule, die direkt am Platz liegt. Sie wollen einen Beutelspender aufstellen, den künftig die Schüler befüllen – und das Gelände säubern. Helfer sind herzlich willkommen - klicken Sie einfach auf die Karte. Sie wollen mitmachen, aber an anderer Stelle aktiv werden? Hier können Sie Ihre eigene "Saubere Sache"-Aktion anmelden und mit dem Tagesspiegel in Kontakt treten.

Mitglieder des Vereines „Hundefreunde Berlin“ wollen vorbildlich sein. Sie räumen Hundehaufen weg und unterstützen so die Ziele der Initiative „Stadt und Hund“. Fürs Foto trafen sich Aktive des Vereins am Revaler Platz in Friedrichshain – zusammen mit Christof Wüllner (l.) und Michael Krockauer von „Stadt und Hund“.
Mitglieder des Vereines „Hundefreunde Berlin“ wollen vorbildlich sein. Sie räumen Hundehaufen weg und unterstützen so die Ziele der Initiative „Stadt und Hund“. Fürs Foto trafen sich Aktive des Vereins am Revaler Platz in Friedrichshain – zusammen mit Christof Wüllner (l.) und Michael Krockauer von „Stadt und Hund“.

© Thilo Rückeis

"Es ist wirklich ganz einfach, eine Kleinigkeit“, sagt Christof Wüllner. Dann zieht er aus einem Metallkasten an der Revaler Straße in Friedrichshain eine blaue Kunststofftüte, fährt mit der Hand bis zum Ellenbogen hinein, greift mit den geschützten Fingern einen Hundehaufen vom Boden und befördert das Säckchen in den nächsten Abfalleimer. Auf dem Metallkasten steht „Beutelspender“, die Tüten sind als „Bello-Hundekotbeutel“ gekennzeichnet – und für Wüllner ist klar: „Mit diesen beiden simplen Dingen können wir Berlins Häufchenproblem nachhaltig lösen.“

Seine Überzeugung beruht auf jahrelangen Praxistests. Seit 2003 stellt der 43-jährige Geologe mit seinem Mitstreiter Michael Krockauer ehrenamtlich in ausgewählten Kiezen Beutelspender auf und organisiert, dass sie regelmäßig befüllt werden. „Stadt und Hund“ heißt ihre Initiative. Das Ziel: „Die Tretminen sollen verschwinden, damit Hundehaltern und Menschen ohne Hund endlich besser miteinander auskommen.“ In etlichen Testgebieten habe man das schon erreicht, sagt Wüllner. Der Tütenservice werde rasch angenommen. Auch die Stadt Wien habe mit der Methode positive Erfahrungen gemacht.

In Berlin jedoch laufen Wüllner und Krockauer „gegen Mauern“, wie sie sagen. Bezirke und Senat zeigten kein Interesse, das Modell gemeinsam mit der Berliner Stadtreinigung (BSR) professionell auf die ganze Stadt auszudehnen.

300.000 Haufen hinterlassen die etwa 150.000 Berliner Hunde täglich, besagen Schätzungen. Das Hundekotproblem ist eines der Alltagsprobleme, die den Berlinern am meisten auf die Nerven gehen. Die BSR hat zwölf rollende Hundekotsauger im Fuhrpark, die sie einsetzt, um Exkremente beseitigen. Und die Ordnungsämter der Bezirke drohen 35 Euro Verwarnungsgeld für liegengelassene Haufen an, haben aber kein Personal für effektive Kontrollen. „Es wird hinterhergeputzt und halbherzig sanktioniert“, sagt Wüllner. „Wir sollten stattdessen vorbeugend zusehen, dass dieses Ärgernis erst gar nicht entsteht.“

Bildergalerie: So kämpfen Berliner gegen rücksichtslose Hundehalter

Deshalb entwickelte „Stadt und Hund“ vor zehn Jahren ein Vorbeugekonzept. Beispielhaft verwirklicht die Initiative dies seither in Stadtgebieten, in denen es besonders viel Klagen über Hundekot gibt, unter anderem in den Friedrichshainer Kiezen beiderseits der Frankfurter Allee sowie in Bereichen von Lichtenberg, Wedding und Reinickendorf. Aber wie bringt man Hundehalter dazu, den Dreck ihrer Tiere wegzuräumen? „Indem man ihnen die Möglichkeit bietet, das bequem und hygienisch zu erledigen“, sagt Wüllner.

Also stellte die Initiative bislang rund 400 Beutelspender auf – flache Kästen, klein wie ein DIN-A4-Blatt. 250 ehrenamtliche Paten, die um die Ecke wohnen, füllen die Tüten nach. Bezahlt werden die Spender und Beutel von den Paten, von Sponsoren oder den Bezirken. Etwa 1000 Euro kostet das alles zusammen für einige Kiezstraßen pro Jahr. Und es rentiert sich: In Gebieten mit Tütenspender stieg die Beseitigungsquote auf 60 bis 80 Prozent, zuvor waren es nur 20 Prozent. Um dies zu beweisen, hat „Stadt und Hund“ akribisch Häufchen gezählt und Anwohner befragte. „Wesentlich weniger Tretminen“, lautet das Resümee.

Ähnlich sind die Erfolge von Wohnungsbaugesellschaften, die in ihren Siedlungen – nach Wiener Vorbild – Spender aufgestellt haben. In Österreichs Bundeshauptstadt wurden 2006 flächendeckend 2750 Kästen mit Gratistüten angebracht. Zugleich stellte Wien 50 zusätzliche „Waste Watcher“ ein, vergleichbar mit den Streifen der Berliner Ordnungsämter. Seither landen täglich 50.000 „gefüllte Sackerln“ im Abfall. Der Erziehungseffekt sei enorm, lautet die Bilanz.

In Berlin sind bislang nur etwa fünf Prozent der Stadt mit Beutelspendern versorgt – und selbst dies ist nun gefährdet. Finanziell klamme Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Pankow sind zunehmend knausrig. Im Friedrichshainer Samariterviertel musste „Stadt und Hund“ schon Kästen abmontieren.

„Wir zeigen, wie man das Problem lösen kann. Für ganz Berlin müssen aber nun Senat, Bezirke und die BSR ’ran“, sagen Wüllner und Krockauer. Das sei mit ehrenamtlichen Helfern nicht leistbar. Etwa fünf Millionen Euro würde eine solche Häufchenoffensive pro Jahr kosten, rechnen sie vor. Vom Senat fühlen sie sich seit Jahren hingehalten. Sie wollten dem Regierenden Bürgermeister ihr Konzept vorstellen, bekamen aber keinen Termin. Klaus Wowereit verwies sie an den Umweltsenator. „Aber dort geht man auf unsere Argumente gar nicht ein“, sagt Wüllner. Und die BSR glaubt nicht an einen Erfolg. „Es sei denn, auch die Kontrolle wird wie in Wien verschärft.“ Immerhin ließ die BSR an ihren 21.000 Abfallbehältern ein weiteres Piktogramm anbringen: Hundebeutel – hier hinein!

„Stadt und Hund“ ist im Rahmen unserer Aktion "Saubere Sache" am 15. September ab 10.30 Uhr auf dem Petersburger Platz in Friedrichshain aktiv. Zusammen mit Eltern und Kindern der Evangelischen Grundschule, die direkt am Platz liegt. Sie wollen einen Beutelspender aufstellen, den künftig die Schüler befüllen – und das Gelände säubern. Helfer sind herzlich willkommen - klicken Sie einfach auf die Karte. Sie wollen mitmachen, aber an anderer Stelle aktiv werden? Hier können Sie Ihre eigene "Saubere Sache"-Aktion anmelden und mit dem Tagesspiegel in Kontakt treten.

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