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Adel verpflichtet. Rummel wie am Alexa? Auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg völlig undenkbar. Ebenso festlich wie heimelig geht es dort zu, und auch der Tagesspiegel ist mit seinem Shop vertreten.

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Feierliche Jahreszeit: Glanz und Glühwein auf Berlins Weihnachtsmärkten

Bummel oder Rummel – Berlins Weihnachtsmärkte bieten jedem etwas. Einer erhielt sogar von Marktforschern ein Qualitätssiegel.

Erst die Arbeit und dann ... Obwohl man bei einem wie dem Soldatenkönig nicht genau sagen konnte, was ihm mehr Vergnügen bereitete: das Abnehmen einer Parade oder der Besuch des Berliner Weihnachtsmarkts. Überliefert ist jedenfalls, dass Friedrich Wilhelm I. am 31. Dezember 1729 vormittags erst die Wache aufmarschieren sah, anschließend dinierte und dass es Seiner Majestät dann beliebte, „die auf gewöhnlichen Weynachts-Marckte feil gestellten Sachen in den aufgeschlagenen Boutiquen en Promenade in Augenschein zu nehmen, wovon sie hernach verschiedene Kostbarkeiten von Silber und allerhand Spiel-Sachen nach dem Schlosse bringen ließ“. Abends wurde die Ausbeute der königlichen Shoppingtour, an der auch Friedrich Wilhelms Nachfolger Gefallen fanden, an Königin, Prinzen und Prinzessinnen verschenkt.

Im Jahr der 775-Jahr-Feier ist solch ein kleiner Rückblick auf einen der wahrscheinlich ersten behördlich genehmigten Weihnachtsmärkte in Berlin – die Quellenlage ist dürftig – angemessen, zumal er einen fundamentalen Unterschied zwischen damals und heute erkennen lässt. Am Anfang genügte ein Markt für die ganze – zugegeben sehr viel kleinere – Stadt, heute sind es über 60, mit alles andere als sinkender Tendenz, im Gegenteil: Am Donnerstag wurde erstmals auch in den Prinzessinnengärten am Kreuzberger Moritzplatz, einem Ort, bei dem man nicht spontan an traditionelle Weihnachtsgemütlichkeit denkt, der „Kultur Winter – Markt & Zirkus“ gefeiert, immerhin schön alternativ mit „Recycling-Weihnachtsbaumskulptur“, „Fairtrade Kunsthandwerk“, „Hausmannskost aus biologischem Anbau“, mit dem „Sauerkraut Varieté“ und „Mockys’s Zirkusshow“, wie es im Vorfeld verlockend hieß.

Adel verpflichtet. Rummel wie am Alexa? Auf dem Gendarmenmarkt völlig undenkbar. Kein einziges Karussell und schon gar kein Riesenrad behindert dort die vorweihnachtliche Heimeligkeit. Foto: Lang/dapd
Adel verpflichtet. Rummel wie am Alexa? Auf dem Gendarmenmarkt völlig undenkbar. Kein einziges Karussell und schon gar kein Riesenrad behindert dort die vorweihnachtliche Heimeligkeit. Foto: Lang/dapd

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Das ist sicher verdienstvoll, doch dürfte dieses Adventsvergnügen nicht die geringste Chance haben, je in einer Untersuchung registriert zu werden, wie sie Professor Gunther Bamler von der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen mit seinen Studenten im Fach Marktforschung rechtzeitig zur aktuellen Saison erstellt hat. In rund 200 Interviewer-Einsätzen, bei denen etwa 13 000 Meinungen gesammelt wurden, hat man 2011 bundesweit und im angrenzenden deutschsprachigen Raum Weihnachtsmarktbesucher nach ihnen bekannten Märkten befragt, wobei die ihrer Heimatstadt ausgeschlossen waren. Die wenigsten der stadtweit verstreuten Berliner Märkte hatte dadurch eine Chance, registriert zu werden, da sie den ortsfremden Testpersonen nicht bekannt waren, aber ein erfreuliches Ergebnis gibt es doch zu berichten: Der „Weihnachtszauber“ auf dem Gendarmenmarkt galt der Mehrheit als der aufregendste und der mit dem vielfältigsten Angebot, allerdings auch der teuerste in Deutschland – und der mit dem unfreundlichsten Personal.

Königlich, volkstümlich oder alternativ: ein kleiner Überblick über die Weihnachtsmärkte Berlins

Unfreundlich? Peter Rathenow, als Händler auf dem Gendarmenmarkt schon seit einigen Jahren dabei, mag das nicht glauben und hat für dieses harsche Urteil seine eigene, durchaus einleuchtende Erklärung: Für ihn haben die Ortsfremden wohl einfach nur die Berliner Schnauze missverstanden. An ihm soll es jedenfalls nicht liegen, er erklärt sein Sortiment von kleinen Dampfschiffen gern: eine Erfindung von 1891, Spielzeug aus der Kaiserzeit also, lange Zeit vergessen, nun wiederentdeckt. Als Dampfmaschine dient ein U-förmiges Rohr, das in der Mitte von einer Kerze erhitzt wird. Dort wird als erste „Tankfüllung“ Wasser eingefüllt, fängt an zu kochen, wird hinten, töff, töff, töff, als Dampf ausgestoßen und treibt so das Schiffchen an, während zugleich neues Wasser nachströmt, bis der Kerzenstummel abgebrannt ist. Die Mini-Motoren kauft Rathenow ein, die Schiffsrümpfe formt er aus Blech mit einer Oldtimer-Handpresse, lötet sie zusammen, malt sie an. Preis pro Modell: zwischen 5 und 15 Euro.

Auch passionierte Weihnachtsmarktbesucher können in Berlin eben immer noch Überraschendes entdecken, haben zudem die freie Wahl zwischen kultiviertem Bummel mit Edeltanne und jahrmarktähnlichem Rummel samt Autoscooter, zwischen intimem Glühweinglück, fair gehandelter Bio-Seligkeit oder Riesenrad-Runden im Bierdunst. Und selbst sportlich Interessierte kommen hin und wieder auf ihre Kosten, so am Donnerstag wiederum beim „Weihnachtszauber“ auf dem Gendarmenmarkt. Man erwartet auf solchen Veranstaltungen eher Vadder Abraham und seine Schlümpfe, hier aber wurde Arthur Abraham mit seiner Hammerfaust geboten, Boxweltmeister im Supermittelgewicht, der am „Hau den Lukas“ zum Kräftemessen einlud. Gegen eine Spende, versteht sich, zugunsten der „José Carreras Leukämie-Stiftung“. Ein Wettkampf mit sehr ungleich verteilten Chancen: Die Herausforderer durften den Hammer benutzen, Meister Abraham blieb nur die Faust im Boxhandschuh. Eigentlich ungerecht.

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