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Ein neuer Abschnitt, der "Flaschenhals".

© Alicia Epp

Erweiterung wird eröffnet: Der Park am Gleisdreieck bekommt seinen "Flaschenhals"

Der Park am Gleisdreieck wird verlängert. An diesem Freitag kommt der "Flaschenhals" hinzu – und lockt bei sonnigen 20 Grad an. Ein Spaziergang.

Die Reise beginnt am Poststellwerk Luckenwalder Straße, kurz: Plw. Diese drei Buchstaben prangen an der weißen Außenwand des Häuschens im Ostpark, in dem David Keuck sein Büro hat. Da, wo Keuck nun vor seinem Bildschirm sitzt, standen einst die Männer an den Hebeln: Hier wurden früher die Weichen gestellt.

Keuck, Parkmanager von Grün Berlin, hockt in seinem Turm und genießt den Blick. Von hier aus schaut er zum Potsdamer Platz, sieht die U1 oder die U2 durch die Landschaft ziehen. Unter den Trassen: der Park, die Menschen – Skater, BMX-Fahrer, Fußballer. Daneben eine Brache voll Schrott. Ein Oldtimer thront auf einem alten Container.

Der Park am Gleisdreieck lebt von den unterschiedlichen Stimmungen. Hier Bahntrasse, da Kleingärten. Neben dem Häuschen eine Skateanlage mit Graffiti, hundert Meter weiter Urban Gardening für traumatisierte Kriegsflüchtlinge.

Noch ein neuer Parkabschnitt

Nachdem der Ostpark im Herbst 2011 und der Westpark im Mai vergangenen Jahres eröffnet wurden, kommt an diesem Freitag ein weiterer Teil hinzu. Um 13.30 Uhr wird Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) mit einem kleinen Fest den „Park am Flaschenhals“ freigeben; Treffpunkt ist an der Monumentenbrücke. Der „Flaschenhals“ reicht bis zur Yorckstraße und ist fünf Hektar groß. Kosten: zwei Millionen Euro. Das Geld kommt aus EU-Fördertöpfen und Landesmitteln. Durch den Park führt der Fernradweg Berlin-Leipzig. An der Monumentenbrücke sollen Radler die Bahntrasse queren, um dann später mal westlich davon weiterzufahren gen Südgelände, also S-Bahnhof Priesterweg.

Um das Gelände am Gleisdreieck gibt es Streit seit den 70ern. Aus den Bürgerinitiativen gegen eine Autobahnachse durch das Areal – die Westtangente –, entstand die Forderung, die Wildnis, die sich über die alten Gleise gelegt hatte, zu erhalten. Jahrzehnte später – inzwischen war die Mauer gefallen, eine für 1995 geplante Bundesgartenschau auf dem Gelände war abgesagt und der Potsdamer Platz zu einer Ansammlung von Hochhäusern geworden – stand der Park.

Und so sieht er aus. Heute, 13 Uhr, wird der neue Parkabschnitt freigegeben.
Und so sieht er aus. Heute, 13 Uhr, wird der neue Parkabschnitt freigegeben.

© Alicia Epp

David Keuck läuft durch den „Naturerfahrungsraum“, einen abgetrennten Bereich an der Kreuzberger Wiese im Ostpark, in dem sich Lehmhügel, Sträucher, steinerne wie hölzerne Erkundungspfade befinden. „Hier kommen Kindergärten und Schulen mit ihren Klassen, es gibt umweltpädagogische Angebote“, erzählt der Landschaftsarchitekt, der den Park seit 2011 für Grün Berlin managt, „und es kommen viele Eltern mit ihren Kids“. Naturkunde für Stadtkinder – gegenüber dem alten Anhalter Güterbahnhof, der seit den 80ern nicht mehr genutzt wird.

Auf dem Weg zum früheren Güterbahnhof kommt man an einem Baum vorbei, der aus einem Ölfass wächst. Auch seltene Pflanzenarten zeugen von der Vergangenheit: „Dort drüben steht ein Zürgelbaum“, sagt Keuck. „Das ist ein Baum, der so eigentlich bei uns nicht vorkommt. Wahrscheinlich wurde er einst über Güterwaggons, die mit Samen gefüllt waren, in Berliner Gefilde transportiert.“

Der 26 Hektar große Gleisdreieckpark erzählt ein Stück Stadtgeschichte seit der Kaiserzeit. Zu Zeiten, als der Anhalter Bahnhof der größte seiner Art in Europa war, liefen hier etliche Trassen entlang. Über die Yorckstraße verliefen einst etwa 45 Brücken.

„Schüchtern und verstaubt werden die zukünftigen Gräser zwischen metallenen Schwellen blühen“, schrieb der österreichische Schriftsteller Joseph Roth in seinem berühmten Feuilleton „Bekenntnis zum Gleisdreieck“ im Jahr 1924, in dem er diesen gewaltigen Ort des Industriezeitalters seziert. Dass nicht viel von dem blieb, was Roth schilderte, ist Hitler und dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken: Der Anhalter Bahnhof wurde zerbombt – ebenso wie ein Großteil der Gleisanlagen.

Zwischen Wildnis und Kleingartenfläche

Die noch übrig gebliebenen Schienenanlagen rotteten dann im Kreuzberger Dead End während des Kalten Krieges vor sich hin. Grund: Sie lagen zwar im Westteil, wurden aber von der ostdeutschen Reichsbahn verwaltet. Rechtliches Niemandsland. So wurde das Gleisdreieck zur Wildnis. Anfang der 80er gab es hier 413 Vegetationsarten – unwesentlich weniger als im neun Mal so großen Tiergarten. In der Wildnis zwischen den Gleisen entstand eine Art Abenteuerspielplatz, eine Heimat für Kleingärten.

Diese Kleingärten existieren bis heute. Man hat sie im Westpark belassen. Hier befindet sich das Café Eule, die bislang einzige Gastronomie im westlichen Teil des Parks. Am Wochenende stehen die Menschen hier Schlange. Im Café hilft Uli Rödiger aus. „Das ist schon besonders“, sagt der 44-Jährige, „hier so ein kleines, idyllisches Gartencafé zu haben, wo ein paar hundert Meter weiter das Zentrum einer Metropole ist.“ Fast ein bisschen stolz erzählt Rödiger, dass hier keine Kleingarten-Spießer wohnten: „Man wird hier niemanden finden, der mit der Nagelschere den Rasen trimmt, bei uns ist auch die Boheme zu Hause.“

Dass nach der Wende der Weg zum Park langsam geebnet wurde, liegt auch daran, dass die Investoren, die damals rund um den Potsdamer Platz bauten – Daimler, Sony – Ausgleichszahlungen leisten mussten. Geld, das in den Park am Gleisdreieck floss, dessen Gesamtkosten 18 Millionen Euro betrugen. Als der Park konkretere Formen annahm, begann ein Gezerre um jeden Quadratmeter, Debatten um jeden Baum, der gefällt wurde.

„Ich denke, wir haben gute Kompromisse gefunden“, meint Parkmanager Keuck, „mir scheint, dass viele der beteiligten Bürgerinitiativen mit dem heutigen Park gut leben können.“ Sicher, einige Kreuzberger Initiativen hätten es lieber gesehen, wenn mehr Wildnis geblieben wäre. Und die Zahl der Besucher ist jetzt schon enorm. Mit dem Müllmanagement hingegen ist Keuck sehr zufrieden.

Der Park am Flaschenhals, der nun eröffnet wird, ist schlicht, aber immer wieder voller Überraschungen: Da ist etwa ein mit Rindenmulch gefülltes Gleis, über das man ein Wäldchen durchqueren kann. Später einmal soll man in den Park über die Yorckbrücken gelangen. Die müssen saniert werden. Das kostet, das braucht Zeit. Aber hier am Gleisdreieck entwickelt sich alles eben etwas langsamer.

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