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Das Bild der Präsidentensuite wirkt wie Simulation, soll aber das erste Foto sein. Rechts ist das Europa-Center zu erkennen.

© promo

Stadtentwicklung: Die Hauptstadt will in den Himmel

Wie New York ist die Stadt ja nicht gerade, ein paar Hochhäuser kann Berlin aber bieten. Das neueste am Zoo wird jetzt fertig - und eröffnet das Rennen auf eine neue Berliner Skyline.

Es wird ernst in der West-City. Das Waldorf-Astoria-Hotel steht kurz vor der Eröffnung, und stolz teilt man uns mit, mit 118 Meter Höhe werde das „Zoofenster“ das höchste Gebäude der City West sein. Das ist vorerst auch so. Doch noch in diesem Jahr will die Strabag schräg gegenüber das alte Schimmelpfennig-Haus abreißen und dann mit dem Bau des Turmes „Upper West“ beginnen. Vorgesehene Höhe: 118,8 Meter. Das klingt eine Handbreit höher als der Nachbar. Doch eine Nachfrage im Büro des Zoofenster-Architekten Christoph Mäckler ergibt schließlich, dass auch sein Hochhaus exakt 118,8 Meter misst – dies wurde nur nie richtig bekannt gemacht.

Einer der Bauherren könnte sich nun nach bewährtem Muster mit einer kleinen Antenne obenauf helfen. Das Rennen auf eine neue Berliner Skyline ist jedenfalls eröffnet, und wie in allen Städten der Welt speist es sich aus dem Drang der Bauherren, eine Handbreit höher anzukommen als der Vorgänger ums Eck. Offenbar herrscht die Sorge, ein nur „zweithöchstes Gebäude“ könnte sich als schwer vermarktbar erweisen.

Dabei sind sowohl Zoofenster als auch Atlas Tower ein ganzes Stück davon entfernt, die höchsten Häuser der Stadt zu sein. Denn diesen Titel trägt seit 1970 unangefochten das Hotelgebäude am Alexanderplatz, mit dem die DDR einst Weltgeltung beanspruchte und die „selbstständige politische Einheit Westberlin“ zu deklassieren suchte: Das heutige „Park Inn“ ist 125 Meter hoch – die Antenne oben drauf bringt es auf weitere 25 Meter.

Ebenfalls 125 Meter hoch sind die „Treptowers“, ein Nachwendebau, und über das dann folgende Gebäude würde die Stadt gern den Mantel des Schweigens werfen oder doch wenigstens die Abrissbirne dagegen: Es ist der Steglitzer Kreisel, der mit 119 Metern komischerweise genauso hoch ist, wie der künftige Atlas Tower sein soll – möglicherweise ist dessen Eröffnung eine Voraussetzung für das Ende des untoten Kreisels?

Die Kirchen, die einst führend nach oben strebten, haben sich aus dem aktuellen Rennen abgemeldet; gleichwohl ist der Berliner Dom 114 Meter hoch, und die Gedächtniskirche hatte mal 113 Meter, bevor ihr der Krieg die Spitze nahm, schon wieder so eine seltsame Fast-Gleichheit.

Ein ewiger Wettlauf? All jene, die Einfluss auf die Höhe der betreffenden Gebäude haben, weisen diese Unterstellung weit von sich. Nein! Die Höhe, nicht wahr, ergibt sich automatisch, wenn man unten anfängt und oben aufhört, wenn das Geld alle ist. Dennoch wäre zu wünschen, dass der nächste ehrgeizige Architekt nicht nur den Kreisel zu überflügeln versucht, sondern auch das Park Inn, damit mal ein wenig Dynamik in die Skyline kommt. Bis zum Burj Khalifa in Dubai (828 Meter) ist noch Spielraum, das muss ja nicht alles auf einmal eingeholt werden.

Dabei geht es ja in Berlin nicht nur um Häuser. Auch Berge werden immer genauer vermessen, und ihre Höhe ist keineswegs so zementiert, wie es den Anschein haben mag. Denn der Große Müggelberg (115,4 Meter) lag seit der letzten Eiszeit so da, wie er auch heute liegt, nur eben unangefochten von der Konkurrenz weit drunten. Die ist sehr neuzeitlich angeschwollen: Der Teufelsberg wuchs durch den Schutt des Zweiten Weltkriegs von „absolut unerheblich“ auf 114,7 Meter, zusätzlich erhöht durch die US-Radarstation. Und die Ahrensfelder Berge ...

Die sind etwas komplizierter. Zum einen liegen sie so weit draußen am östlichen Stadtrand, dass sie selbst eingeborenen Berlinern kaum bekannt sind. Zum anderen haben auch sie mal klein angefangen, der höhere westliche mit 67 Metern, unerheblich im Berliner Kontext. Doch dann luden die Ost-Berliner Bauarbeiter den gesamten Aushub der Neubaugebiete Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen auf ihnen ab, was für eine Höhe von 112 (westlich) und 101 Metern (östlich) reichte. 1991 war Schluss mit Bauschutt, aus ökologischen Gründen.

Aber 112 Meter? Richtig, das konnte nicht so bleiben. Also wurde 2008 der Westgipfel um dreieinhalb Meter aufgeschüttet und mit einer Aussichtplattform gekrönt, und der Sieger war... der Große Müggelberg. Denn irgendwas sackte nach, und am Ende brachte es der Westgipfel doch nur auf 114,5 Meter, nach wie vor Platz drei. Der zuständige Stadtrat teilte nach der Messung treuherzig mit, ein Rekord sei auch ü-ber-haupt nicht sein Ziel gewesen, und dabei blieb es. Weitere Aufschüttungsabsichten wurden aus keinem Teil Berlins bekannt.

Daraus lässt sich auch für die Häuser lernen: Die endgültige Höhe steht erst dann fest, wenn sich alles gesetzt hat und der Experte mit dem Lasergerät sein Gutachten verkündet. Wer weiß, was da in der City West in den nächsten Jahren noch alles passiert.

- Über das Thema „Berlin will hoch hinaus – brauchen wir neue Hochhäuser?“ können Tagesspiegel-Leserinnen und -Leser am Donnerstag, 29. November, ab 19.30 Uhr in der Urania im Rahmen der Reihe „Stadt im Gespräch – Berlin im Wandel“ mitdiskutieren (Eintritt frei). Podiumsgäste sind Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, „Upper West“-Architekt Christoph Langhof und der Kunsthistoriker Professor Adrian von Buttlar; es moderiert Gerd Nowakowski, Leitender Redakteur des Tagesspiegels.

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