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Ort zum Innehalten. Am Treptower Ehrenmal wird jedes Jahr am 8. Mai der gefallen Soldaten der Roten Armee gedacht.

© picture alliance / dpa

70 Jahre Kriegsende: Das Gedenken der Gewinner in Berlin

In Berlin erinnern drei Mahnmale an die im Kampf um Berlin gefallenen Soldaten der Sowjetarmee. Unter dem Motto „Mai ’45 – Frühling in Berlin“ wird der 70. Jahrestag des Kriegsendes begangen.

Hilfe, die Rocker kommen! Na und? Russische Menschen sitzen auf ihren Motorrädern und knattern, wie gestern berichtet, in 14 Tagen 6000 Kilometer durch die Landschaft, immer auf den Spuren ihrer Großväter, die als Rotarmisten am 21. April 1945 vor der Stadtgrenze von Berlin standen. Dann begann, statt Hitlers Endsieg, der Endkrieg um die Reichshauptstadt. Bis General Weidling am 2. Mai die Kapitulation unterschrieb, starben noch zehntausende Soldaten auf beiden Seiten. Und ungezählte Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder.

Das Gedenken, mit dem die Gewinner ihren historischen Sieg feierten und ihrer Toten gedachten, begann wenige Monate nach der offiziellen Kapitulation am späten Abend des 8. Mai 1945 (nach russischer Zeit war es bereits der 9. Mai). Sehr bald entstand das erste Ehrenmal im ramponierten Tiergarten – die Bronzefigur des Rotarmisten wurde in der Berliner Bildgießerei Noack gegossen, das Denkmal mit einer Parade der vier Alliierten schon am 11. November 1945 eingeweiht. Unter dem Mahnmal sind etwa 3000 gefallene Sowjetsoldaten begraben, zwei T-34-Panzer, die angeblich als erste Berlin erreicht hatten, flankieren das Denkmal, das später, im kalten Krieg, zum Zankapfel wurde und umzäunt werden musste. Auch heute noch gibt es vereinzelt Ewiggestrige, im kalten Krieg verhaftete Politiker, die die Panzer und den Soldaten nicht länger sehen möchten: Vielleicht ist ihnen entgangen, wieviel einfache Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion nicht nur bei offiziellen Anlässen an die seit 25 Jahren für jeden erreichbare Gedenkstätte (die im britischen Sektor lag) kommen, um Blumen und Kränze niederzulegen.

Über 5000 Soldaten sind auf dem Gelände bestattet

Nach diesem, rasch improvisierten Mahnmal wurde zwei Jahre später mit dem Bau des zentralen sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park begonnen, über 5000 Soldaten sind hier bestattet. Über dem Eingang steht „Ewiger Ruhm den Helden, die für die Freiheit und Unabhängigkeit der sozialistischen Heimat gefallen sind.“ Der Hauptarchitekt Belopolski sagte über die Hauptfigur, den Soldaten mit dem Kind auf dem Arm: „Er war Blut vom Blute unseres Volkes. Seine Liebe zur sozialistischen Heimat, die aufopferungsvolle Liebe dieser Heimat zu ihren Söhnen – das ist ein Thema, das noch die Herzen später geborener Generationen anrührt“. Früher war die fast zwölf Meter hohe Hauptskulptur Mittelpunkt der Heldenverehrung in der DDR, am „Tag der Befreiung“ quälten sich die Rentner der SED-Führung den Ehrenhügel hinauf – da war es in der Gedenkstätte Schönholzer Heide schon einfacher, zumal hier 13 000 Soldaten begraben sind. Aber Treptow war der Mittelpunkt des Gedenkens, den Soldaten an der Straße des 17. Juni besuchten stets nur russische Diplomaten. Einmal hatte sich ein mutiger Ost-Berliner sein Auto voller Kränze gepackt und kam so im sowjetischen Gedenkkonvoi „nach drüben“. Heute sind alle drei Mahnmale Touristenattraktionen, Bundesregierung und Senat kommen ihrer Verpflichtung nach, die Gedenkstätten pfleglich zu erhalten.

Kanzlerin Merkel legt in Moskau einen Kranz nieder

70 Jahre nach der Befreiung vom Nazi-Regime sind nicht nur für russische Menschen ein Grund, ihres Sieges zu gedenken. Die Hauptstadt Berlin atmete am 8. Mai 1945 auf. Endlich vorbei! Krieg verloren, aber am Leben. Die Alliierten feiern, Kanzlerin Merkel legt in Moskau einen Kranz nieder – wie gedenkt Berlin? Bundestag? Regierung? Präsident? Wer erinnert sich nicht an die Rede Richard von Weizsäckers am 8. Mai 1985 zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 40 Jahren? In Berlin verantwortet die Kulturprojekte-Gesellschaft das Gedenken. Unter dem Motto „Mai ’45 – Frühling in Berlin“ gibt es Ausstellungen und Veranstaltungen „zum Alltag zwischen Krieg und Frieden“. Dazu gehören Open-air-Ausstellungen an sechs markanten Plätzen, der Unterwelten-Verein hat eine Tour zwischen Brandenburger Tor und Anhalter Bahnhof konzipiert, vorbei an entscheidenden Orten beim Kampf um Berlin. Es gibt Führungen über drei Berliner Trümmerberge, am nächsten Mittwoch stellt der Regierende Bürgermeister das Programm auf dem Alex vor. Ein Höhepunkt wird auf jeden Fall, wie jedes Jahr, der „Toast auf den Frieden“, mit dem das Deutsch-Russische Museum in Karlshorst abends um 22 Uhr an die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde vor 70 Jahren in einem einstigen Offizierskasino der deutschen Wehrmacht erinnert. Beim traditionellen Museumsfest gibt es für jeden ein Glas Sekt – vor 70 Jahren feierten die Sieger, noch in Freundschaft verbunden, bis in den frühen Morgen.

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