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Die alten Lederkoffer und selbstgebastelten Häuser bilden die Kulisse dieser Geschichte über Aufbruch und Abschied.

© Privat

Buchvorstellung in der Cecilien-Grundschule: Eine Zeitreise mit Haus Nummer Vier

Ein Haus erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie in der Nazizeit. Die Lehrerin Birgitta Behr hat ihr Kinderbuch "Susi. Die Enkelin von Haus Nummer 4" vorgestellt. Für unsere Praktikantin Cecilia Heil (18) war es ein beeindruckender Abend. Die nächste Vorstellung ist am 16. Februar in der Cecilienschule am Nikolsburger Platz.

"Ich bin ein Geisterhaus! Öffne die Tür! Ich bin eine Erinnerung. Du musst mich weitererzählen!"

Mit gespensterhafter Stimme liest Birgitta Behr diese Sätze aus ihrem Buch vor.

In der vollen Aula der Cecilien-Grundschule am Nikolsburger Platz ist es stockfinster. Ich sitze ziemlich weit hinten am Rand doch ich befinde mich seit dem ersten Satz mitten in einer anderen Welt. Ich folge der Erzählerin durch das Buch und durch die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland.

Während sie mich und die anderen mitnimmt, sitzt sie, die das Buch geschrieben hat und heute Abend vorstellt, vorne auf einem Sessel. Das erzählen mir die Schüler, die mitgespielt haben. Aus dem Publikum sehe ich das nämlich nicht – die Stimme kommt aus dem Nichts wie eine Geisterstimme. Gebannt sehe ich den Schülern auf der Bühne zu, die die Worte zum Leben erwecken.

Am Ende der Vorstellung des Kinderbuchs "Susi. Die Enkelin von Haus Nummer 4", das Birgitta Behr, Lehrerin an der Cecilien-Grundschule, geschrieben hat, bringt jedes Kind sein eigenes Haus mit. Die nächste Vorstellung ist am 16. Februar 2017 um 19.30 Uhr in der Cecilienschule am Nikosburger Platz. Welche Geschichten diese Häuser wohl später mal erzählen können...?
Am Ende der Vorstellung des Kinderbuchs "Susi. Die Enkelin von Haus Nummer 4", das Birgitta Behr, Lehrerin an der Cecilien-Grundschule, geschrieben hat, bringt jedes Kind sein eigenes Haus mit. Die nächste Vorstellung ist am 16. Februar 2017 um 19.30 Uhr in der Cecilienschule am Nikosburger Platz. Welche Geschichten diese Häuser wohl später mal erzählen können...?

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Die Schüler spielen, was vorgelesen wird. Sprechen kaum, begleiten szenisch. Die Kulisse besteht aus kniehohen Papp-Häusern, die bestimmt wochenlang im Kunstunterricht gebastelt wurden. Diese Altbauten versetzen den Zuschauer, obwohl sie nur aus Pappe sind, ins Berlin der Dreißigerjahre. Die Steine, die ein paar Jungen als Soldaten in der Pogrom-Nacht werfen, sind gefüllte und zugebundene Socken und die großen alten Lederkoffer auf der Bühne erwecken in mir ständig ein Gefühl von Aufbruch. Genau darum geht es maßgeblich in diesem Buch.

Es handelt von einer jüdischen Familie, die ihr Haus am Nikolsburger Platz verlassen, sich trennen, verstecken, bangen muss. Und um Susis Großmutter trauern, die von den Nazis nach Theresienstadt deportiert und in Treblinka ermordet wird. Zur Erinnerung an Gertrud Cohn liegt auf dem Platz vor der Schule ein Stolperstein.

"Ich bin ein Geisterhaus" - Die von innen erleuchteten Häuser verbreiten eine geheimnisvolle Stimmung. Es ist das Haus Nummer 4, das die Geschichte von Susi, einem jüdischen Mädchen, und ihrer Familie im Zweiten Weltkrieg erzählt.
"Ich bin ein Geisterhaus" - Die von innen erleuchteten Häuser verbreiten eine geheimnisvolle Stimmung. Es ist das Haus Nummer 4, das die Geschichte von Susi, einem jüdischen Mädchen, und ihrer Familie im Zweiten Weltkrieg erzählt.

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Was mir besonders auffällt, ist, wie glatt alles läuft, wie gut alles klappt. Nicht nur das Spiel auf der Bühne, auch die sehr passende Beleuchtung, mehrerer Videos, die Susis Stimmung aufgreifen, sowie die Musik – alles funktioniert auf Anhieb. Durch die unterschiedlichen Medien verschmilzt alles zu einem Geschichten-Sog, dem ich nicht wiederstehen kann. Ich tauche komplett in die Geschichte ein.

Mit einfachen Mitteln und Sätzen wird sehr treffend erzählt. Die Kulisse und Requisiten sind passend und klar, aber nicht teuer gekauft oder professionell gebaut. Und Susi, das Mädchen, um das es im Buch geht, schildert Eindrücke, die so nur ein Kind haben kann. „Sterne sind doch schön!“ bemerkt Susi. „Nur wenn sie am Himmel hängen“ entgegnet die Mutter traurig. „Ich finde sie auch an deinem Mantel schön“ sagt Susi. Sie stellt die Fragen, die sich alle stellen "Warum macht Hitler sowas mit uns?" Und sie muntert ihren Vater bei Kriegsende, als eine harte Zeit des Wieder-Ankommens bevorsteht mit seinen eigenen Worten auf: „Denk dir, was du dir wünschst. Es ist der Anfang vom Wahrwerden.“

Auf mehreren Videos, die während der Vorstellung abgespielt werden, spielt die Tochter von Birgitta Behr die kleine Susi.
Auf mehreren Videos, die während der Vorstellung abgespielt werden, spielt die Tochter von Birgitta Behr die kleine Susi.

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Dass eine Grundschullehrerein ein Buch schreibt, ist schon besonders. Aber dass aus der Buchvorstellung ein toller Theaterabend wird und dass Kinder und Lehrer es schaffen mich als Zuschauer so zu packen, das ist noch viel besonderer. Niemals hätte es derart nahtlose Abläufe und makellose Technik am Gymnasium gegeben, an dem ich vor einigen Monaten Abitur gemacht habe. Tollen Inhalt gibt es an vielen Schulen bei Aufführungen, Konzerten und Festen. Aber dass auch die Rahmenbedingungen und die Form stimmen, das habe ich noch nicht so oft erlebt.

Trotz des traurigen Themas ist der Optimismus, den die Geschichte verströmt, ansteckend. Auf langen Applaus folgt munteres Gemurmel. Die Kinder flitzen zum Büffet, das im Gang aufgebaut ist, alle kommentieren noch eine Weile die Vorstellung.

Viele Zuschauer wollen nach dem Stück mit der Autorin reden und ihr gratulieren. Rund um sie herum bildet sich eine Menschentraube. Und Birgitta Behr begrüßt jeden Schüler mit Namen, schreibt persönliche Widmungen in die Bücher der Schüler. Sie ist sichtbar froh, dass alles gut gegangen ist, dass die Vorstellung ein Erfolg war. Und der Abend war, wie Susis Großmutter es immer gesagt hat: "Am Ende wird alles gut."

Die nächste Vorstellung ist am 16. Februar 2017 um 19.30 Uhr in der Cecilien-Grundschule am Nikolsburger Platz in Wilmersdorf. Eine Leseprobe zu "Susi. Die Enkelin von Haus Nummer 4 und die Zeit der versteckten Judensterne" finden Sie hier. Das für Kinder ab zehn Jahren empfohlene Buch ist im Verlag Ars-Edition erschienen und über dessen Website erhältlich.

Cecilia Heil

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